Das umstrittene ungarische Hochschulgesetz ist mit europäischem Recht nicht vereinbar. Es verstoße unter anderem gegen die Grundrechtecharta der EU, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am Dienstag. Das Gericht gab damit einer Vertragsverletzungsklage der Kommission gegen Ungarn statt. (Az. C-66/18)
Nach einer Änderung des Hochschulrechts im Jahr 2017 dürfen ausländische Universitäten in Ungarn nur noch Abschlüsse vergeben, wenn darüber erstens ein Vertrag zwischen beiden Ländern besteht und die Hochschule zweitens auch im Herkunftsland tätig ist. Diese Neuregelung betrifft konkret nur die vom ungarischstämmigen US-Investor und Philanthropen George Soros geförderte Central European University, die deswegen nach Wien umzog.
Die Maßnahmen benachteiligten ausländische gegenüber ungarischen Hochschulen, entschied der EuGH nun. Betroffene Universitäten würden der autonomen Infrastruktur beraubt, die sie für Forschung und Lehre bräuchten. Die Neuregelungen könnten somit die “akademischen Aktivitäten gefährden”.
Zudem gefährdeten sie die akademische Freiheit, die unternehmerische Freiheit und die Niederlassungsfreiheit. Sie verstießen damit sowohl gegen EU-Verträge als auch gegen das Dienstleistungsabkommen der Welthandelsorganisation. Die Erklärung der ungarischen Regierung, die sich auf den Schutz der öffentlichen Ordnung beruft, hielt das Gericht für unzureichend.
Erste Reaktionen aus der Politik auf das Urteil fielen positiv aus. So sprach etwa Daniel Caspary (CDU), Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, von einem “klaren Signal”. Ungarn müsse sein Hochschulgesetz so schnell wie möglich revidieren. “Das Urteil zeigt erneut, wie wichtig ein funktionierender Rechtsstaatlichkeitsmechanismus für Europa ist.”
Die “schwerwiegenden Verletzungen der Wissenschaftsfreiheit” durch die ungarische Regierung müssten schnellstmöglich zurückgenommen werden, erklärte Kai Gehring, hochschulpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion in Berlin. “Die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre ist ein Eckpfeiler unserer liberalen Demokratie in Europa – das hat der Europäische Gerichtshof heute klargestellt.”
Die EU-Kommission hatte in den vergangenen Monaten mehrfach juristische Auseinandersetzungen mit Ungarn, die vor dem EuGH endeten. Im Mai entschied der Gerichtshof, dass ungarische Transitlager für Asylbewerber gegen EU-Recht verstoßen. Im Juni urteilte er ebenso über das sogenannte NGO-Gesetz, das strenge Auflagen für Organisationen vorsah, die Spenden aus dem Ausland bekommen. Auch von diesem Gesetz waren mehrere Nichtregierungsorganisationen betroffen, die Soros fördert.
by INA FASSBENDER