Umweltschützer und Branchenverbände verlangen ehrgeizigere Ziele und mehr Einsatz für die Umstellung auf Erneuerbare Energien. "75 Prozent sind ein Muss", forderte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt mit Blick auf die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), die einen Anteil von 65 Prozent Regenerativer Energien bis 2030 vorsieht. Der Bundestag befasste sich am Freitag in erster Lesung mit dem Entwurf. Auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hofft noch auf Nachbesserungen.
Laut der Vorlage von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), die das Bundeskabinett im September gebilligt hatte, sollen bis 2030 insgesamt 65 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien kommen. Noch "vor dem Jahr 2050" soll dann der gesamte in der Bundesrepublik verbrauchte und produzierte Strom klimaneutral sein.
Schulze hatte bereits nach dem Kabinettsbeschluss erklärt, sich ehrgeizigere Ziele zu wünschen. "Wir trauen uns in der EU jetzt ein deutlich höheres Klimaziel zu, das natürlich auch Folgen für Deutschland haben wird", bekräftigte sie dies in den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Freitag. Es könne ein Anteil von mindestens 75 Prozent Erneuerbare Energien bis 2030 nötig werden. "In jedem Fall brauchen wir deutlich mehr Windräder und Solaranlagen als bisher geplant."
Mehrere Umweltverbände erklärten, die EEG-Novelle reiche nicht aus, um der Klimakrise zu trotzen. "Energien aus Wind und Sonne sind die Motoren der Energiewende und des Klimaschutzes. Diese Novelle wirft den Schraubenzieher ins Getriebe", erklärten Campact, Deutsche Umwelthilfe, die Naturfreunde Deutschlands, Robin Wood, das Umweltinstitut München und der WWF Deutschland. Der Ausbau von Solar- und Windenergie müsse dreimal so hoch sein im Entwurf vorgesehen.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) forderte die Regierung auf, nachzulegen. So müsse die vorgesehene Ausschreibungsmenge bei Solarenergie "mindestens verdoppelt werden", erklärte BUND-Chef Bandt. "Dies ist nur möglich, wenn die Bremse für Bürgerenergie gelöst und eine umfassende Teilhabe ermöglicht wird".
Auch der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) und das Bündnis Bürgerenergie forderten eine stärkere Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger. Die Eigenversorgung mit Erneuerbaren, aber auch Energie-Gemeinschaften, müssten "gesetzlich erheblich erleichtert werden", verlangten die drei Organisationen gemeinsam.
Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarenergie, Carsten Körnig, erklärte, der Gesetzesentwurf stehe "im klaren Widerspruch zu den Verlautbarungen der Bundesregierung, den Ausbau Erneuerbarer Energien zu beschleunigen, um die Klimakrise einzudämmen". Der Zubau neuer gewerblicher Solardächer werde mehr als halbiert, unzähligen Solarpionieren werde "quasi der Stecker gezogen". "Klimafreundliche solare Selbstversorger" würden im Falle des Inkrafttretens "systematisch und europarechtswidrig diskriminiert".
Mehr Tempo verlangte auch die Linksfraktion. Das Ökostromziel für 2030 müsse "auf mindestens 80 Prozent" angehoben werden, erklärte ihr Klimaexperte Lorenz Gösta Beutin. "Bis 2035 müssen 100 Prozent der Stromerzeugung aus Erneuerbaren kommen." Nur so könne Deutschland seine Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen einhalten.
Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock sprach sich dafür aus, für alle neu gebauten Häuser und später auch für alle sanierten Gebäude die Installation von Solaranlagen zur Pflicht zu machen. "Die Dächer in Deutschland müssen endlich zu Kraftwerken werden", schreibt die Grünen-Chefin in einem Forderungskatalog, aus dem die Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland am Freitag zitierten. Jedes Dach ohne Solaranlage sei eine vertane Chance für den Klimaschutz und eine verbrauchsnahe Stromversorgung.
by Hector RETAMAL