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Ultrakonservativer Raisi gewinnt erwartungsgemäß Präsidentschaftswahl im Iran

Geistliches Oberhaupt Chamenei verkündet Sieg "über Propaganda des Feindes"

Der ultrakonservative Kandidat Ebrahim Raisi hat wie erwartet die Präsidentschaftswahl im Iran gewonnen. Der Justizchef erhielt im ersten Wahlgang mehr als 62 Prozent der am Freitag abgegebenen Stimmen, wie die nationale Wahlkommission am Samstag mitteilte. Demnach waren zu diesem Zeitpunkt 90 Prozent der Stimmen ausgezählt.

Das geistliche Oberhaupt des Landes, Ayatollah Ali Chamenei, lobte einen Sieg "der iranischen Nation" über "die Propaganda der Söldner-Medien des Feindes". Vor der Wahl hatte er seine Landsleute wiederholt aufgefordert, die von der Exil-Opposition verbreiteten Aufrufe zum Boykott der Wahl zu ignorieren. Angaben zur Wahlbeteiligung machten die Behörden zunächst nicht.

Der Zweitplatzierte, der frühere Chef der Revolutionsgarden Mohsen Resai, kam nach offiziellen Angaben auf nur rund 11,5 Prozent der Stimmen. Auf dem dritten Platz lag der einzige reformorientierte Kandidat, Ex-Zentralbankchef Abdulnasser Hemmati. Der ultrakonservative Abgeordnete Amirhossein Ghasisadeh-Haschemi erreichte gut drei Prozent der Stimmen.

Schon vor Bekanntgabe der Teilergebnisse hatten alle drei Gegenkandidaten Raisis dem ultrakonservativen Justizchef zum Wahlsieg gratuliert. Amtsinhaber Hassan Ruhani hatte zudem erklärt, sein Nachfolger sei im ersten Wahlgang gewählt worden, ohne den Namen des Wahlsiegers zu nennen.

Wahlberechtigt waren bei der Abstimmung am Freitag mehr als 59,3 Millionen Iraner. Da mit einer niedrigen Beteiligung gerechnet wurde, war die Öffnung der Wahllokale um zwei Stunden verlängert worden.

Das Feld der Bewerber war zuvor von etwa 600, darunter 40 Frauen, auf sieben ausschließlich männlich Kandidaten reduziert worden. Der moderat-konservative Ex-Parlamentspräsident Ali Laridschani, Chefunterhändler des Atomabkommens, durfte nicht kandidieren.

Der populistische ehemalige Präsident Mahmud Ahmadinedschad wurde ebenfalls vom Wächterrat der Kleriker und Juristen von der Kandidatur ausgeschlossen. In einer Videobotschaft kündigte er daraufhin an, er werde nicht wählen, weil "ich keinen Anteil an dieser Sünde haben will".

Nach dem Ausschluss aller anderen aussichtsreichen Kandidaten galt Raisis Wahl als nahezu sicher. Der 60-jährige Geistliche sieht sich als Nachfahre des Propheten Mohammed, im schiitischen Klerus hat er den zweithöchsten Rang eines Hodschatoleslam inne. Als Politiker präsentiert sich der Ultrakonservative als "unerbittlicher" Kämpfer gegen Armut und Korruption.

Er gilt als enger Verbündeter des geistlichen Oberhauptes Chamenei und als dessen möglicher Nachfolger. In vielen sozialen Fragen einschließlich der Rolle der Frauen im öffentlichen Leben vertritt er höchst konservative Ansichten.

Oppositions- und Menschenrechtsgruppen bringen Raisis Namen vor allem mit Massenexekutionen von politischen Gefangenen im Jahr 1988 in Verbindung. Sein Aufstieg zum Staatschef "anstelle von Ermittlungen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie Mord, Verschwindenlassen und Folter ist eine düstere Erinnerung daran, dass im Iran Straflosigkeit herrscht", erklärte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International am Samstag. Raisi bestreitet jegliche Verantwortung für die Exekutionen.

Angesichts der schweren wirtschaftlichen und sozialen Krise im Iran ist die Unzufriedenheit der Bürger groß. Die Wirtschaft des ölreichen Landes ist infolge der strikten US-Sanktionen am Boden, die Bevölkerung leidet unter der anhaltenden Inflation und Arbeitslosigkeit. Die Corona-Krise verschlimmerte die Lage zusätzlich.

Amtsinhaber Ruhanis größter Erfolg war das Atomabkommen mit den USA, woraufhin Sanktionen abgebaut worden waren. Der spätere US-Präsident Donald Trump machte die Hoffnungen auf wirtschaftlichen Aufschwung mit seiner Politik des maximalen Drucks auf Teheran allerdings zunichte und stieg aus dem Abkommen aus.

Irans Ultrakonservative hatten den moderaten Ruhani wegen des Scheitern des Abkommens und der neuen US-Sanktionen scharf kritisiert. Trotzdem haben sich viele hochrangige iranische Politiker und auch Raisi dafür ausgesprochen, sich bei den derzeit laufenden Verhandlungen in Wien für die Rettung des Abkommens einzusetzen.

by Von Frank Zeller und Amir Havasi