Eine Bilanz zum Abschied
Manchmal kann er gar nicht anders. Dann muss es aus ihm raus, sonst platzt er, dann zeigt er “sein wahres Gesicht”, wie die “Bild” schreibt. Es läuft rot an, dass man schon das Schlimmste befürchten muss. Dann böllert es los, “das Sturmgeschütz des FC Bayern”. Es wird nicht vollständig verstummen, wenn Uli Hoeneß (67) diesen Freitag von seinem Amt als Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender des FC Bayern München zurücktritt. Vielleicht hat es im Vorruhestand die eine oder andere Ladehemmung, was ihm – rein gesundheitlich – und ganz Deutschland – rein nervlich – zu wünschen wäre.
Hoeneß ist zu Lebzeiten zur Legende geworden, niemand war so erfolgreich wie er: Als blitzschneller Stürmer (“Schwaben-Pfeil”, 1970-1979) holte der gebürtige Ulmer drei deutsche Meisterschaften, drei Mal den Europapokal der Landesmeister (Vorläufer der Champions League), ein Mal den DFB-Pokal, wurde mit der Nationalelf Europa- (1972) und Weltmeister (1974). Der FCB-Manager Hoeneß (1979-2009) wurde 16 Mal deutscher Meister, neun Mal Pokal- und ein Mal Champions League-Sieger. Und als Bayern-Präsident (seit 2009) stehen vier deutsche Meisterschaften, zwei Pokalsiege, ein UEFA Super Cup und eine Champions-League-Trophäe zu Buche.
In seiner Ägide hat sich der Jahresumsatz der Bayern von zwölf Millionen Mark (bei sieben Millionen Mark Schulden 1979) auf 750,4 Millionen Euro (2018/19) gesteigert, der Klub wurde mit 291.000 Mitglieder der größte Sportverein der Welt.
Doch selbst diese beeindruckenden Zahlen verblassen gegen den Laut-Sprecher Uli Hoeneß, wenn er außer Rand und Band gerät. “Wenn die Abteilung Attacke zuschlägt, dann gibt es keine Grautöne mehr. Nur noch den Totalangriff. Die verbale Blutgrätsche!”, beobachtet “Bild”, die seit Jahrzehnten als zuverlässiger Seismometer große und kleine Hoeneß-Eruptionen registriert.
Das ging schon 1978 los, als Hoeneß zum HSV wechseln wollte, wo der ältere Nationalelf-Kollege Günter Netzer (75) Manager war. Der Arzt hatte Bedenken wegen seines lädierten Knies und Netzer verlangte eine eingehende Untersuchung mittels einer Arthroskopie. Hoeneß reiste wutentbrannt ab, beklagte sich am nächsten Tag im “ZDF-Sportstudio” lautstark über den unmenschlichen Netzer. “Wenn so etwas von mir verlangt wird, dann höre ich lieber auf als Fußballprofi”, sagte Hoeneß nach dem Zwischenfall. Nach elf Spielen beim 1. FC Nürnberg kam es dann auch dazu, Hoeneß wurde Bayern-Manager – und Netzer einer seiner besten Freunde.
Ein verbaler Dauerbrenner war der Streit mit dem damaligen Kölner Trainer Christoph Daum (66). Der freche Daum hatte über den engen Hoeneß-Freund Jupp Heynckes (74), der die Bayern trainierte, gelästert, dass dieser Werbung für Schlaftabletten machen könnte und die Wetterkarte interessanter sei als ein Gespräch mit Heynckes, was ihm Hoeneß über Jahre hinweg nicht verziehen hat. Als Daum im Jahr 2000 Bundestrainer werden wollte, sagte Hoeneß: “Wenn das alles Fakt ist, worüber geschrieben wurde, auch unwidersprochen über den verschnupften Daum, dann kann er nicht Bundestrainer werden.” Worauf Daum den Bayern-Manager wegen übler Nachrede verklagte.
Einige Wochen danach stellte sich heraus, dass Daum in der Tat Kokain-Konsument gewesen ist – und deshalb nicht Bundestrainer werden konnte.
Die verbalen Duelle zwischen Hoeneß und seinem Manager-Kollegen Willi Lemke vom SV Werder Bremen überdauerten Jahrzehnte und ließen an Schärfe nichts zu wünschen übrig. Lemke titulierte Hoeneß als “Totengräber des deutschen Fußballs” und sagte in einem Werder-Buch: “Hoeneß glaubt, mit Geld und Macht Leute niederzubügeln, sie mit gezielten Attacken mundtot machen zu können.” Uli Hoeneß bezeichnete Lemke als “Volksverhetzer” und urteilte, es sei “erstaunlich, dass ein Mann mit einem solchen Charakter Minister eines Bundeslandes werden kann”, als Lemke Mitglied im Bremer Senat wurde.
Doch mit Lemke söhnte sich Hoeneß aus. 2016 tranken die beiden auf Brüderschaft. “Ich habe längst einen Uli Hoeneß kennengelernt, dem ich nie permanent widersprechen würde”, bekannte der ehemalige SPD-Senator im FC-Bayern-Magazin “51”.
Die Liste derer, die Hoeneß abgekanzelt hat, ließe sich wohl noch eine Weile lang fortführen. Damit sie nicht noch länger wird, gibt Lemke dem einstigen Kontrahenten noch einen Ratschlag mit in den Ruhestand: “Nimm es mir nicht übel, wenn ich Dir für Deinen Ruhestand raten darf: Im Sinne Deiner Nachfolger, die in riesige Fußstapfen treten und ihren eigenen Weg finden müssen: Wenn etwas falsch läuft, sag’ es diplomatisch unter vier Augen. Nicht volles Rohr in der Öffentlichkeit. Sonst werden sie es sehr, sehr schwer haben.”
(ln/spot)