Seit Monaten wird die geplante ukrainische Offensive zur Befreiung weiterer Gebiete im Osten des Landes angekündigt. Doch wie gelingt es, die Angriffspläne vor Moskau geheim zu halten? Die Ukraine verfolgt hier eine clevere Strategie! So täuschen sie die Russen:
Es ist eine herausfordernde Aufgabe, die entscheidende Phase der Offensive, den bewaffneten Bodenangriff auf die von Russland besetzten Gebiete, zu verschleiern. Der Aufwand an Truppen, Material und Logistik ist enorm. Um zumindest einige Aspekte vor den Russen zu verbergen, setzt die Ukraine nicht nur auf Stille, sondern verwendet verschiedene Taktiken. Die ukrainische Armee veröffentlichte kürzlich ein Video zur Gegenoffensive, in dem Soldaten symbolisch den Finger vor den Mund halten, um die Botschaft zu vermitteln: “Pläne lieben Stille.” Tatsächlich streut die Ukraine immer wieder Ankündigungen über den Zeitpunkt der Offensive, mal mehr, mal weniger deutlich und oft widersprüchlich. Dies dient dazu, den genauen Angriffszeitpunkt zu verschleiern und die Gegenseite zu verunsichern. Zur Vorbereitung der Offensive hat die ukrainische Armee mehrere neue Brigaden aufgestellt, deren Soldaten im Westen an neuen Waffen wie Schützenpanzern und Kampfpanzern trainiert wurden. Diese Brigaden werden so lange wie möglich im sicheren Hinterland gehalten. Es ist aber nahezu unmöglich, Truppenbewegungen dieser Größenordnung vor der russischen Aufklärung vollständig zu verbergen.
Im vergangenen September konnten die ukrainischen Streitkräfte mit weitaus weniger Truppen und fast nur mit leicht gepanzerten Fahrzeugen große Gebiete in der Region Kharkiv zurückerobern. Damals war es den russischen Streitkräften jedoch nicht verborgen geblieben, dass eine Offensive bevorstand, allerdings waren sie nicht in der Lage, eine angemessene Verteidigung zu organisieren. Die Situation hat sich inzwischen geändert. Die Frontlinie ist zwar immer noch mehrere Hundert Kilometer lang, aber deutlich kleiner als vor einem Jahr. Das erleichtert es den russischen Besatzungstruppen, mögliche Angriffsoptionen der Ukrainer auszumachen. Die russischen Streitkräfte haben bereits Verteidigungsanlagen wie Schützengräben, Panzersperren und Minengürtel errichtet. Diese sollen den erwarteten ukrainischen Angriff nicht stoppen, sondern verlangsamen, um russische Reserven heranzuführen. Ein Sturm auf befestigte Anlagen äußerst komplex und mit Risiken verbunden, da langes Durchhalten beispielsweise gezieltes Artilleriefeuer nach sich ziehen kann. Um die eigene Truppenstärke und den tatsächlichen Einsatzort zu verschleiern, setzen die ukrainischen Streitkräfte auch Attrappen ein, Nachbildungen echter Waffensysteme wie Raketenartillerie oder Kampfpanzer.
Diese Maßnahme dient nicht nur dazu, die russische Aufklärung bei der Auswahl einzelner Ziele zu täuschen, sondern lenkt auch die Aufmerksamkeit der russischen Streitkräfte vom eigentlichen Ort der Offensive ab. Es gibt auch Handyvideos, die ukrainische Soldaten mit ihrem Kampfgerät zeigen. Diese Videos dienen nicht nur zur Motivation der eigenen Truppen und zur Demoralisierung des Gegners, sondern sollen auch den russischen Besatzern einen falschen Eindruck vom geplanten Einsatzort vermitteln. Um die Verteidigungsanlagen der russischen Angreifer auszukundschaften und die Reaktion auf Angriffe zu beobachten, setzen die ukrainischen Streitkräfte sowohl auf Späher, die den Kampf eher meiden, als auch auf Gefechtsaufklärungseinheiten, die schwer bewaffnet sind und aktiv am Kampfgeschehen teilnehmen können. Diese kleineren, lokal begrenzten Vorstöße liefern den ukrainischen Truppen wertvolle Informationen und dienen gleichzeitig der Verschleierung. Oft ist es für die russischen Verteidiger nicht sofort erkennbar, ob ein solcher kleiner Vorstoß möglicherweise der Auftakt für eine größere Offensive ist.