Im nördlichen Teil von Charkiw haben die ukrainischen Streitkräfte erfolgreich die russischen Truppen gestoppt und sogar teilweise zurückgedrängt. Dank des Einsatzes amerikanischer HIMARS-Werfer sind nun sogar Schläge tief im Kernland Russlands möglich. Dennoch ist dies noch keine endgültige Wende in diesem Konflikt.
Der unerwartete Angriff der Russen im Norden von Charkiw traf die Ukrainer unvorbereitet. Die schwachen Territorialverteidigungskräfte konnten den Vormarsch der Russen nicht aufhalten. Innerhalb weniger Tage gelang es den Invasoren, mehr als fünf Kilometer vorzurücken und mehrere Dörfer zu besetzen. Jedoch ist die Angriffskraft der Russen nun erschöpft, was eine gute Nachricht im Verlauf des Krieges ist. Kiew hat seitdem beträchtliche Truppenverstärkungen in die Region geschickt, wodurch die Ukrainer nun zahlenmäßig den Russen überlegen sind, zumindest teilweise. Die Millionenstadt Charkiw wäre aufgrund ihrer Truppenstärke für die Russen ohnehin unerreichbar gewesen. Die Gefahr bestand jedoch darin, dass sie ihren Einbruch weiter ausdehnen und die Metropole bedrohen könnten.
Dies ist jedoch nicht geschehen. Die Ukrainer verteidigen weiterhin die Ortschaft Lypzi und konnten sich auch im nördlichen Teil von Woltschansk behaupten. Die Stadt ist durch einen Fluss geteilt, wobei die südliche Zone flache Bebauung aufweist und leichter angreifbar ist, während die Ukrainer in der nördlichen Zone, genannt "Zitadelle", und im Industriegebiet standhalten. Die Kämpfe sind äußerst verlustreich, wobei die Ukrainer unter dem Beschuss der Russen leiden und diese gleichzeitig unter einem Mangel an frischen Truppen. Die ukrainischen Streitkräfte konnten nicht nur die Front halten, sondern auch Erfolge erzielen, indem sie ihre amerikanischen Waffen auch im russischen Kernland einsetzten. Mindestens zwei S-300 Luftabwehrsysteme und möglicherweise ein S-400 wurden bei diesen Angriffen zerstört. Für Putin sind diese Verluste schmerzhaft und könnten seine Erzählung einer glorreichen "Spezialoperation" in Frage stellen. Es wird nun schwieriger für die Russen sein, weitere Raketenangriffe abzuwehren, und der Einsatz von US-Jets vom Typ F-16 könnte für die Ukrainer einfacher werden.
Es ist anzunehmen, dass die getroffenen Luftabwehrsysteme isoliert waren und nicht Teil eines integrierten Luftabwehrnetzwerks. Es ist wahrscheinlich, dass ausländische Spezialisten diese Angriffe geplant haben, jedoch ändert dies nichts an der Tatsache, dass die Entwicklungen im Raum Charkiw für Kiew positiv verlaufen. Allerdings sehen die Dinge im Osten anders aus, wo die Russen täglich an mehreren Fronten vorrücken und ehemals ukrainische Positionen einnehmen. Trotzdem ist der Krieg noch weit von einer Entscheidung entfernt und bleibt grausam und unerbittlich.