In Tunesien ist mit Najla Bouden erstmals eine Frau zur Ministerpräsidentin ernannt worden. Zwei Monate nach der Entmachtung der bisherigen Regierung beauftragte Präsident Kaïs Saïed Bouden, "so schnell wie möglich" eine Regierung zu bilden, wie Saïeds Büro am Mittwoch mitteilte. Die 63-jährige Wissenschaftlerin ist in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Ihre Befugnisse als künftige Regierungschefin sind deutlich eingeschränkt, seitdem Saïed vor einer Woche seine eigenen Machtbefugnisse ausgeweitet hat.
Der Staatschef bezeichnete die Nominierung einer Frau als "Ehre für Tunesien und Anerkennung für die tunesischen Frauen". Zentrale Aufgabe der künftigen Regierung sei es, "der Korruption und dem Chaos, das sich in vielen staatlichen Einrichtungen ausgebreitet hat, ein Ende zu setzen". Vor ihrer überraschenden Ernennung leitete Bouden ein Hochschulreform-Projekt. Sie hat einen Doktortitel in Geologie und war zuvor in leitender Position im Hochschulministerium tätig.
Saïed hatte Ende Juli mithilfe eines Notstandsartikels der Verfassung den bisherigen Regierungschef Hichem Mechichi abgesetzt, die Arbeit des Parlaments ausgesetzt und die Immunität der Abgeordneten aufgehoben. Die Entmachtung der Regierung und die Suspendierung des Parlaments stürzten Tunesien in eine Verfassungskrise.
Die bis dahin regierende Ennahdha-Partei warf ihm einen "Putsch" vor. Hunderte Tunesier hatten gegen Saïeds Vorgehen protestiert. Viele fürchteten einen Rückfall in die Zeit vor dem Arabischen Frühling 2011, der zum Sturz des langjährigen Machthabers Zine El Abidine Ben Ali geführt hatte.
Tunesien galt lange als Musterland des Arabischen Frühlings. Allerdings hat das Land auch mehr als zehn Jahre nach dem demokratischen Wandel nicht zu politischer Stabilität gefunden. Seit dem Sturz von Langzeit-Machthaber Ben Ali gab es zahlreiche Regierungen, von denen sich einige nur Monate an der Macht halten konnten.
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