Noch vor der Bekanntgabe der Ergebnisse in mehreren hart umkämpften Schlüsselstaaten hat sich Amtsinhaber Donald Trump zum Sieger der US-Präsidentenwahl erklärt. Zugleich kündigte er am frühen Mittwochmorgen (Ortszeit) an, eine weitere Auszählung der Stimmen vom Obersten Gerichtshof des Landes stoppen lassen zu wollen. Genau auf diese weitere Auszählung, die besonders Briefwahlstimmen betrifft, hoffte Trumps demokratischer Herausforderer Joe Biden. Er konnte laut US-Medien unter anderem den wichtigen Bundesstaat Arizona erobern.
"Wir haben diese Wahl gewonnen", sagte Trump vor Anhängern im Weißen Haus, obwohl der Ausgang der Wahl noch völlig unklar war. Der Amtsinhaber sprach von angeblichem "Betrug an der Nation" bei der Wahl und fügte hinzu: "Wir werden vor den Supreme Court ziehen. Wir wollen, dass alles Wählen endet."
Vermutlich bezog sich Trump damit auf die in vielen Bundesstaaten noch laufende Auszählung von Briefwahlstimmen. "Wir wollen nicht, dass sie um vier Uhr morgens noch Stimmzettel finden und sie zur Liste hinzufügen." Experten zufolge dürfte die Mehrheit der Briefwähler für Biden gestimmt haben.
Zuvor hatte der Präsident bereits per Twitter den Demokraten vorgeworfen, ihm den Sieg "stehlen" zu wollen. "Wir sind weit vorne, aber sie versuchen, die Wahl zu stehlen", schrieb der Präsident im Onlinedienst Twitter. Der Dienst versah die Botschaft Trumps mit einem Warnhinweis zu "umstrittenen und möglicherweise irreführenden" Inhalten.
Sowohl Trump als auch Biden konnten einige wichtige Teilerfolge erringen: US-Sender verkündeten einen Sieg von Trump in den wichtigen Bundesstaaten Florida und Ohio. Ohne Florida hätte Trump praktisch keine Chance auf eine zweite Amtszeit gehabt.
Mit Trumps Siegen in Florida und in Ohio zeichnete sich ein sehr enges Rennen ab; besonders wichtig wurde unter anderem Arizona. Dort wurde kurz nach Trumps Auftritt im Weißen Haus Biden von US-Medien zum Sieger erklärt - die Dramatik im Kampf um das Weiße Haus nahm daraufhin nochmals zu.
Bereits vor seinem Sieg im traditionell konservativen und bei der vergangenen Wahl von Trump gewonnenen Arizona hatte sich Biden zuversichtlich gezeigt. Er sei "auf Kurs, diese Wahl zu gewinnen", sagte er in der Nacht vor Anhängern in seinem Heimatstaat Delaware. Der demokratische Herausforderer konnte unter anderem auch New Hampshire und Minnesota gewinnen. Beides sind "Swing States" - also solche Bundesstaaten, in denen die Präferenzen bei früheren Wahlen hin- und hergependelt waren.
Alle Augen richteten sich nun am Mittwochmorgen auf North Carolina, Georgia, Michigan, Pennsylvania und Wisconsin. Vor allem Pennsylvania rückte zunehmend in den Fokus; dort werden Briefwahlstimmen mit Poststempel vom Wahltag auch dann angenommen, wenn sie einige Tage nach der Wahl bei den Behörden eingehen. Die Auszählung der Stimmen könnte also noch lange dauern - unter anderem dagegen richtete sich offenbar der Vorstoß Trumps, vor den Obersten Gerichtshof ziehen zu wollen.
Der US-Präsident hatte schon in den vergangenen Monaten immer wieder und ohne jegliche Belege den Vorwurf erhoben, dass es Betrug bei der Briefwahl geben werde. Viele seiner Kritiker befürchteten deshalb, dass der Amtsinhaber eine mögliche Niederlage nicht anerkennen und dann eine harte Auseinandersetzung folgen könnte. Auch gibt es Ängste vor gewaltsamen Auseinandersetzungen.
Für den Sieg bei der US-Präsidentschaftswahl muss ein Kandidat mindestens 270 der insgesamt 538 Wahlleute gewinnen, die auf Ebene der Bundesstaaten vergeben werden. Biden lag nach einer auf Angaben der US-Sender basierenden Zählung der Wahlleute-Stimmen am Mittwochvormittag (MEZ) vorerst bei 238 Wahlleute-Stimmen, Trump bei 213.
Parallel zur Präsidentschaftswahl wurde der Kongress in großen Teilen neu gewählt. Dabei konnten die Demokraten laut US-Sendern ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus verteidigen und ausbauen. Die Partei dürfte demnach in dieser Kammer vier oder fünf Mandate hinzugewinnen. Derzeit haben die Demokraten 232 der 435 Sitze.
Noch völlig unklar ist hingegen, welche Partei künftig im Senat - der anderen Kongresskammer - dominieren wird. Bislang haben dort Trumps Republikaner eine Mehrheit von 53 der 100 Sitze. Während das gesamte Repräsentantenhaus neu gewählt wurde, standen nur 35 Senatsmandate zur Wahl.
by Von Sebastian Smith