Mit der wahrscheinlichen Bestätigung der designierten Verfassungsrichterin Amy Coney Barrett ist US-Präsident Donald Trump rund eine Woche vor der Wahl auf einen umstrittenen politischen Erfolg zugesteuert. Der von Trumps Republikanern dominierte Senat sollte die konservative Juristin am Montagabend (Ortszeit) im Amt bestätigen. Damit kann Trump vor der Wahl am 3. November bei rechtsgerichteten Wählern punkten, für die konservative Verfassungsrichter ein Kernanliegen sind.
In einer seltenen Sonntagssitzung hatten die republikanischen Senatoren eine prozedurale Abstimmung mit 51 zu 48 Stimmen gewonnen. Damit wurde der Weg frei für die auf Montagabend angesetzte Schlussabstimmung. Trumps Republikaner stellen im Senat 53 der 100 Senatoren. Eine Bestätigung Barretts galt deswegen als nahezu sicher.
Damit würde die konservative Mehrheit am mächtigen Supreme Court auf sechs zu drei Richter ausgeweitet - und auf Jahre oder sogar Jahrzehnte gesichert. Verfassungsrichter werden in den USA auf Lebenszeit ernannt.
"Bis morgen Abend (Montagabend) werden wir ein neues Mitglied im Obersten Gerichtshof der USA haben", sagte der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, am Sonntagabend. "Die andere Seite wird auf lange Zeit nicht in der Lage sein, viel dagegen zu unternehmen."
McConnells demokratischer Gegenspieler Chuck Schumer warf den Republikanern "eklatante Heuchelei" vor. Ihr Vorgehen werde den Republikanern auf ewig als Makel anhaften.
Trump hatte die 48-jährige Barrett im September nach dem Tod der linksliberalen Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg für den Supreme Court nominiert. Das sorgte bei den oppositionellen Demokraten für Empörung: Sie riefen den Präsidenten vergeblich auf, den Posten so kurz vor der Wahl nicht neu zu besetzen. Die Oppositionspartei argumentierte, der Wahlsieger solle das Recht zur Nominierung eines neuen Verfassungsrichters bekommen.
Die Demokraten waren aber angesichts der konservativen Senatsmehrheit letztlich machtlos. Sie versuchen deswegen, mit der umstrittenen Personalie Wähler vor der Präsidentschafts- und Kongresswahl zu mobilisieren. Sie warnen, dass der konservativ dominierte Supreme Court die Gesundheitsreform von Trumps Vorgänger Barack Obama rückgängig machen könnte, die 20 Millionen Menschen Zugang zu einer Krankenversicherung verschafft hatte. Auch das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche ist demnach in Gefahr.
Die in konservativen und religiösen Kreisen hoch angesehene Barrett hatte es bei den Anhörungen im Justizausschuss vor zwei Wochen abgelehnt, Stellung zu umstrittenen Themen wie dem Gesundheitssystem, dem Abtreibungsrecht und der Homo-Ehe zu beziehen. Sie verweigerte auch die Zusage, dass sie sich für befangen erklären würde, sollte Trump bei einer möglichen Wahlniederlage vor den Obersten Gerichtshof ziehen.
Der Amtsinhaber liegt schon seit Monaten in Umfragen hinter seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden. Trump, der regelmäßig ohne Belege angeblichen Wahlbetrug anprangert, hat bereits klargemacht, dass er eine mögliche Abwahl mit juristischen Mitteln anfechten würde. Der Wahlausgang könnte damit - wie bereits bei der Präsidentschaftswahl im Jahr 2000 - vor dem Obersten Gerichtshof landen. Eine deutliche konservative Mehrheit am Supreme Court verschafft Trump dabei einen Vorteil.
Vor Barrett hatte Trump seit seinem Amtsantritt bereits zwei konservative Juristen zu Verfassungsrichtern gemacht: Neil Gorsuch 2017 und Brett Kavanaugh 2018. Weil der Supreme Court bei wichtigen Streitthemen oft das letzte Wort hat, ist die politische Ausrichtung des Gerichtshofs von entscheidender Bedeutung.
by Von Fabian Erik SCHLÜTER