Unter dem Druck sinkender Umfragewerte setzt Donald Trump auf eine rigorose "Law and Order"-Politik. Der US-Präsident kündigte am Mittwoch die Entsendung von Bundespolizisten in "von Gewaltkriminalität heimgesuchte" Städte an, obwohl sich die Bürgermeister mehrerer betroffener Städte, darunter Chicago, vehement dagegen wehren. Gegner des Präsidenten werfen ihm ein Wahlkampfmanöver vor, um von seinem viel kritisierten Krisenmanagement in der Corona-Pandemie abzulenken.
Trump ordnete die "sofortige" Entsendung von hunderten Bundespolizisten allein nach Chicago an; damit solle die Situation nach dem jüngsten Gewaltanstieg in der drittgrößten Stadt der USA wieder unter Kontrolle gebracht werden. Auch in weitere Städte würden Bundespolizisten geschickt. "Wir wollen die Strafverfolgung stärker, nicht schwächer machen", sagte Trump. Für die Städte sei "Hilfe auf dem Weg".
Bei einer Beerdigung in Chicago war es am Dienstag zu einer heftigen Schießerei gekommen, bei der mindestens 14 Menschen verletzt wurden. Die Zahl der oft tödlichen Schusswaffenvorfälle in der Metropole hat in diesem Sommer deutlich zugenommen. Allein am vergangenen Wochenende wurden mehr als 60 Menschen durch Schüsse verletzt, 14 Menschen starben.
Die Polizei in der Millionenstadt registrierte in diesem Jahr bislang etwa 1640 Schießereien und 414 Tötungsdelikte - ein Anstieg von 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Behörden führen die Zunahme unter anderem auf die gesellschaftlichen Spannungen infolge der Corona-Krise zurück. Andere Großstädte stehen vor ähnlichen Herausforderungen.
Chicagos Bürgermeisterin Lori Lightfoot wehrt sich massiv gegen den Einsatz: "Unter keinen Umständen werde ich es Donald Trumps Truppen erlauben, nach Chicago zu kommen und unsere Einwohner zu terrorisieren", schrieb sie am Dienstag auf Twitter. Trump hatte Chicago als "schlimmer als Afghanistan" bezeichnet.
Der US-Präsident hatte bereits im Wahlkampf 2016 mit seinem Ruf nach "Law and Order" ("Recht und Ordnung") bei den Wählern punkten können. Vertreter der oppositionellen Demokraten und Anti-Rassismus-Demonstranten werfen ihm vor, mit seiner rabiaten Rhetorik und der Entsendung "paramilitärischer Einheiten" seine rechtsgerichteten Anhänger für die Präsidentschaftswahl im November mobilisieren zu wollen.
Nach Angaben von Justizminister Bill Barr sollen im Zuge der "Operation Legend" nun rund 200 Bundespolizisten nach Chicago und 30 weitere nach Albuquerque im Bundesstaat New Mexico geschickt werden. 200 Bundespolizisten befinden sich Barr zufolge bereits in Kansas City im Bundesstaat Missouri.
Der Einsatz ziele darauf ab, "die Bewohner dieser Städte vor sinnlosen Akten tödlicher Gewalt zu schützen, indem sie diejenigen ins Visier nimmt, die in Bandenaktivitäten verwickelt sind und diejenigen, die Schusswaffen zur Begehung von Gewaltverbrechen einsetzen", sagte Barr.
Zuvor waren bereits Bundespolizisten nach Portland im Westen der USA geschickt worden, wo es im Zuge der Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt zu Ausschreitungen gekommen war. Der Einsatz der Bundespolizei löste eine heftige Kontroverse aus.
Barr erklärte am Mittwoch, die nun im Zuge der "Operation Legend" entsandten Beamten würden mit der örtlichen Polizei zusammenarbeiten und sich auf die Bekämpfung von Waffengewalt konzentrieren. Sie seien nicht Teil der in Portland bereits eingesetzten Einheit zur Eindämmung von Ausschreitungen.
Am Montag hatten 15 Bürgermeister - darunter die von Chicago und Portland - in einem Brief an die Trump-Regierung die Entsendung von "paramilitärischen Kräften" in US-Städte ohne Zustimmung der örtlichen Behörden als verfassungswidrig angeprangert.
by Brendan Smialowski