Der Impeachment-Prozess wegen der Kapitol-Erstürmung gegen den früheren US-Präsidenten Donald Trump ist wie erwartet ohne einen Schuldspruch beendet worden. Zwar stimmte am Samstag im Senat eine klare Mehrheit von 57 zu 43 Senatoren für eine Verurteilung wegen "Anstiftung zum Aufruhr". Die für einen Schuldspruch notwendige Zweidrittelmehrheit wurde aber deutlich verfehlt. Mehrere führende US-Demokraten kritisierten daraufhin das Abstimmungsverhalten der republikanischen Senatoren scharf. Trump machte umgehend deutlich, politisch aktiv bleiben zu wollen.
Neben den 50 Senatoren der Demokraten stimmten auch sieben Senatoren von Trumps Republikanern mit "schuldig", unter ihnen der bekannte Trump-Kritiker Mitt Romney. Es war allerdings erwartet worden, dass die große Mehrheit der Republikaner mit "nicht schuldig" stimmen würde: Sie stehen weitgehend hinter dem bei der Basis nach wie vor sehr populären Trump.
Auch der republikanische Minderheitsführer Mitch McConnell stimmte für einen Freispruch. Der mächtige Strippenzieher der Konservativen ging nach der Abstimmung zwar hart mit Trump ins Gericht: Der Ex-Präsident sei "praktisch und moralisch verantwortlich" für die Kapitol-Erstürmung. "Das steht außer Zweifel." Der Senat habe aber nicht die Befugnis, über einen früheren Präsidenten zu urteilen, sagte McConnell. Trump müsse sich aber dennoch für seine Taten während seiner Amtszeit verantworten, etwa vor der US-Justiz.
Trumps Anwälte hatten argumentiert, der Senat dürfe nur einem amtierenden Präsidenten den Prozess machen. Die Demokraten und die meisten Verfassungsrechtler widersprachen dieser Auslegung.
Nach seinem Freispruch dankte Trump seinen Anwälten. Der 74-Jährige Rechtspopulist machte deutlich, politisch aktiv zu bleiben: "Unsere historische, patriotische und schöne Bewegung, um Amerika wieder großartig zu machen, hat gerade erst begonnen."
Der amtierende US-Präsident Joe Biden teilte nach der Entscheidung mit, dass trotz des Freispruchs die Anklagepunkte gegen Trump "unbestritten" seien. "Dieses traurige Kapitel unserer Geschichte hat uns daran erinnert, dass die Demokratie zerbrechlich ist, dass sie immer verteidigt werden muss", hieß es in der Erklärung.
Die demokratische Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, bezeichnete die republikanischen Senatoren als "feige". Deren "Weigerung, Trump für das Anzetteln eines gewalttätigen Aufstands zur Rechenschaft zu ziehen, wird als einer der dunkelsten Tage in die Geschichte unseres Landes eingehen", sagte sie.
Die Demokraten hatten Trump für die gewaltsame Erstürmung des Kapitols am 6. Januar mit fünf Toten verantwortlich gemacht. Der damalige Präsident hatte seine Anhänger mit einer aufwieglerischen Rede zum Marsch auf das Kapitol aufgerufen und die Stimmung zudem über Wochen mit Falschbehauptungen über Wahlbetrug angeheizt.
Die Demokraten wollten mit einer Verurteilung im Senat erreichen, dass Trump von künftigen politischen Ämtern auf Bundesebene ausgeschlossen wird. "Präsident Trump muss für die Sicherheit unserer Demokratie und der Bevölkerung verurteilt werden", sagte der demokratische Abgeordnete und Anklageführer Jamie Raskin in seinem Schlussplädoyer.
Der demokratische Abgeordnete David Cicilline warf Trump zudem vor, nichts unternommen zu haben, um die Gewalt zu stoppen. Die Ankläger hatten am Samstag in letzter Minute noch versucht, eine republikanische Abgeordnete als Zeugin vorzuladen - sich dann aber mit einer schriftlichen Erklärung zufrieden gegeben.
Trumps Anwalt Michael van der Veen warf den Demokraten in seinem Schlussplädoyer einen politisch motivierten "Rachefeldzug" gegen Trump vor. Der frühere Präsident habe nie zur Gewalt aufgerufen. Seine Äußerungen seien zudem von der Redefreiheit gedeckt.
Trump war bereits vor einem Jahr in einem Impeachment-Prozess freigesprochen worden. Darin ging es um seine Versuche 2019, die Ukraine zu Wahlkampfhilfe zu drängen und belastendes Material gegen den heutigen Präsidenten Joe Biden zu erhalten.
Trump ist der erste Präsident der US-Geschichte, gegen den zwei Amtsenthebungsverfahren eingeleitet wurden. Er war zudem der erste frühere Staatschef, dem nach seinem Ausscheiden aus dem Amt im Senat ein Prozess gemacht wurde.
by Von Fabian Erik SCHLÜTER