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Trump als erster US-Präsident mit zwei Amtsenthebungsverfahren konfrontiert

US-Repräsentantenhaus stimmt eine Woche nach Sturm auf Kapitol für Impeachment

Historisches Votum im US-Repräsentantenhaus: Eine Woche nach der Erstürmung des Kapitols hat die Kongresskammer am Mittwoch ein Amtsenthebungsverfahren gegen den abgewählten Präsidenten Donald Trump eingeleitet. Trump ist damit der erste Präsident der US-Geschichte, gegen den zwei solche Verfahren eingeleitet wurden. Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, bezeichnete Trump als "eindeutige und gegenwärtige Gefahr für die Nation, die wir alle lieben".

Trump wurde eine Woche vor Ablauf seiner Amtszeit vom Repräsentantenhaus wegen "Anstiftung zum Aufruhr" angeklagt. Für das sogenannte Impeachment stimmten 232 Abgeordnete, darunter auch zehn Mitglieder von Trumps Republikanern. 197 Abgeordnete votierten dagegen. Das Impeachment hat das Amtsenthebungsverfahren zur Folge, das im Senat stattfinden wird.

Bereits vor rund einem Jahr war gegen Trump ein Amtsenthebungsverfahren wegen seiner Bemühungen um Wahlkampfhilfe aus der Ukraine geführt worden. In diesem Verfahren wurde er aber vom Senat freigesprochen.

Mit seinem Votum habe das Repräsentantenhaus in überparteilicher Weise verdeutlicht, "dass niemand über dem Gesetz steht, nicht einmal der Präsident der Vereinigten Staaten", sagte Pelosi in einer Zeremonie, in der sie die Anklageschrift gegen Trump abzeichnete.

Die Anklage bezieht sich vor allem auf die aufwieglerische Rede, die Trump am Mittwoch vergangener Woche in Washington kurz vor dem Sturm auf das Kapitol gehalten hatte. Er hatte darin seine Anhängerschaft zum Marsch auf den Sitz des Kongresses aufgerufen, als dort eine Sitzung zur endgültigen Bestätigung des Wahlsieges des künftigen Präsidenten Joe Biden anberaumt war.

Die militanten Trump-Anhänger sorgten dann stundenlang am Sitz des Kongresses für Gewalt und Chaos. Ein Polizist erlag am Tag danach seinen Verletzungen, eine Trump-Anhängerin wurde im Kapitol von der Polizei erschossen. Insgesamt gab es fünf Tote bei den Ausschreitungen in der US-Hauptstadt.

Trump verurteilte nun in einer Videobotschaft nach dem Impeachment-Votum ein weiteres Mal die Gewaltakte aus den Reihen seiner Anhängerschaft: Es gebe "niemals eine Rechtfertigung für Gewalt". Zugleich rief er das Land zur Einheit auf: Alle US-Bürger sollten "die Leidenschaften des Moments überwinden und als ein gemeinsames amerikanisches Volk zusammenfinden". Auf sein Impeachment ging Trump in der Botschaft mit keinem Wort ein.

Biden, der am kommenden Mittwoch vereidigt wird, appellierte unterdessen an den Senat, sich nicht völlig von dem Amtsenthebungsverfahren absorbieren zu lassen. Die Kammer solle sich zugleich auf die Nominierungen für das neue Regierungsteam und die politischen Prioritäten der neuen Regierung konzentrieren.

"Ich hoffe, dass die Senatsführung einen Weg findet, um mit ihrer verfassungsmäßigen Verantwortung bei dem Impeachment umzugehen, während sie auch an anderen dringendem Anliegen dieser Nation arbeitet", erklärte Biden.

Der Impeachment-Prozess wird voraussichtlich erst nach Beginn von Bidens Amtszeit richtig in Gang kommen. Der bisherige Mehrheitsführer im Senat, der Republikaner Mitch McConnell, nannte es unmöglich, vor Ende von Trumps Amtszeit einen "fairen und ernsthaften Prozess" abzuschließen. Impeachment-Prozesse dauern in der Regel mehrere Wochen.

Der bisherige Minderheitsführer im Senat und künftige Mehrheitsführer, der Demokrat Chuck Schumer, betonte aber, unabhängig vom Zeitpunkt werde es den Prozess geben. Die Demokraten streben eine Verurteilung Trumps auch deswegen an, weil er dann in einem nächsten Schritt künftig von öffentlichen Ämtern und damit einer neuen Präsidentschaftskandidatur 2024 ausgeschlossen werden könnte. Für die Verurteilung Trumps wäre allerdings eine nur schwierig zu erreichende Zweidrittelmehrheit im Senat nötig.

Rund um Bidens Vereidigung vor dem Kapitol wird neue Gewalt befürchtet. Im Kapitol sind deshalb bereits schwerbewaffnete Soldaten der Nationalgarde im Kampfeinzug im Einsatz. In der ganzen US-Hauptstadt herrschen strikte Sicherheitsvorkehrungen. Zu Bidens Amtseinführung werden dort insgesamt 20.000 Nationalgardisten im Einsatz sein. Medienberichten zufolge warnt die Bundespolizei FBI vor Plänen für "bewaffnete Proteste" in Washington und allen 50 Bundesstaaten.

by Von Michael Mathes und Sebastian Smith