Ungeachtet eines allgemeinen Verbots pro-palästinensischer Demonstrationen hat es in Frankreich am Donnerstagabend Kundgebungen und Ausschreitungen gegeben. Mehrere tausend Menschen versammelten sich in Paris zu einer Solidaritätskundgebung mit den Palästinensern, die von der Polizei mit Tränengas und Wasserwerfern aufgelöst wurde. In Rennes, Toulouse und Lille gab es ebenfalls kleinere Demonstrationen. Zehn Menschen kamen in Polizeigewahrsam.
Der Parteichef der rechtskonservativen Republikaner, Eric Ciotti, warf der Regierung vor, sie könne ihre eigenen Entscheidungen nicht durchsetzen. "Wenn die Demonstrationen verboten sind, dann muss der Staat dafür sorgen, dass dies respektiert wird", sagte Ciotti dem Sender RTL. Andernfalls sei dies ein "Zeichen von Schwäche".
Innenminister Gérald Darmanin hatte pro-palästinensische Demonstrationen mit dem Hinweis auf das Risiko von Ausschreitungen grundsätzlich verboten. Verstöße sollten umgehend zu Polizeigewahrsam für Organisatoren und mutmaßliche Unruhestifter führen, hieß es in einem Schreiben an die Präfekten.
Auch Präsident Emmanuel Macron äußerte in einer Fernsehansprache indirekt die Sorge, dass der Konflikt in Nahost zu Spannungen in Frankreich führen könne. "Wir dürfen zu den internationalen Brüchen nicht auch noch nationale Brüche hinzufügen und keiner Form von Hass nachgeben", mahnte er. "Niemand in unserem Land soll Angst haben müssen", fügte er hinzu.
Nach Angaben Darmanins wurden seit dem Großangriff der Hamas auf Israel in Frankreich mehr als hundert antisemitische Taten gemeldet. Frankreich ist mit Blick auf den Nahostkonflikt in einer besonderen Lage, da dort die größte jüdische Gemeinde Europas mit schätzungsweise einer halben Million Menschen lebt. Zudem leben mehr als fünf Millionen Muslime in Frankreich, von denen viele maghrebinische Wurzeln haben.
In der Vergangenheit hatte der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern teils gravierende Folgen in Frankreich. Nach israelischen Militäreinsätzen im Gazastreifen wurden in Frankreich 2009 und 2014 jeweils mehr als 800 antisemitische Taten gemeldet.
Der Attentäter von Toulouse, Mohamed Merah, tötete 2012 vier Menschen vor einer jüdischen Schule. Als Motiv hatte er unter anderem den Tod palästinensischer Kinder bei israelischen Angriffen genannt.
kol/ju