Trotz der brutalen Niederschlagung friedlicher Demonstrationen in Myanmar am Wochenende sind in dem südostasiatischen Land auch am Montag wieder hunderte Menschen gegen die Militärmachthaber auf die Straße gegangen. Die ersten Demonstrationen begannen laut örtlichen Medien bereits vor dem Morgengrauen. Mit Blick auf das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten am Samstag sprach die Bundesregierung von einem "neuen traurigen Tiefpunkt" der brutalen Gewalt in Myanmar.
In der Stadt Plate bei Mandalay demonstrierten am Montag hunderte Menschen mit Protest-Plakaten mit Aufschriften wie "Das Volk wird niemals besiegt werden". Proteste gab es unter anderem auch im Bundesstaat Kachin und in den Städten Monywa und Mawlamyin. In der Region Sagaing nahmen hunderte Trauergäste an der Beerdigung der 20-jährigen Studentin Thinzar Hein teil, die am Wochenende von Sicherheitskräften erschossen worden war.
Gegen die steigende Zahl getöteter Minderjähriger bei den Protesten gingen im östlichen Karen-Staat laut Medienberichten etwa 60 junge Menschen auf die Straße. Ärzte in Yangon behandelten derweil ein einjähriges Mädchen, das am Samstag - seinem Geburtstag - von einem Gummigeschoss im Auge getroffen worden war und operiert werden musste.
Soldaten und Polizisten hatten am Samstag, dem Tag der Armee in Myanmar, nach UN-Angaben mindestens 107 Menschen getötet - darunter sieben Kinder. Örtliche Medien berichteten sogar von 114 Toten. Es war der bislang blutigste Tag der Proteste gegen die Militärherrschaft in Myanmar seit Anfang Februar. Weitere 13 Menschen wurden nach Angaben der myanmarischen Menschenrechtsorganisation AAAP am Sonntag getötet. Demnach stieg die Zahl der seit Beginn der Proteste getöteten Demonstranten auf 459.
Die Gewalteskalation sorgte international für Entsetzen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sprach von einem "Tag des Grauens und der Schande", US-Präsident Joe Biden nannte die Tötung friedlicher Demonstranten "absolut skandalös". Das britische Außenministerium empfahl seinen Bürgern in Myanmar am Montag, das Land so schnell wie möglich zu verlassen.
Auch die Bundesregierung verurteilte die Gewalt durch die myanmarischen Sicherheitskräfte "auf das Schärfste". Tödliche Gewalt gegen friedliche Demonstranten sei "durch nichts zu rechtfertigen", betonte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Es sei "erschütternd" zu sehen, dass es in Myanmar fast täglich Todesopfer gebe. Schockierend seien auch die "zynischen Drohungen der Machthaber gegen die eigene Bevölkerung".
Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter forderte die rasche Einberufung eines internationalen Krisengipfels zu Myanmar. Russland und China demonstrierten noch immer ihre symbolische Unterstützung für das "menschenverachtende Regime" in Myanmar, kritisierte er in der "Heilbronner Stimme". Europa müsse den beiden Ländern klar machen, "dass wir ein Ende jeder Unterstützung und volle Kooperation im UN-Sicherheitsrat erwarten".
Der Kreml betonte am Montag seinerseits seine "große Besorgnis" angesichts der zivilen Todesopfer in Myanmar. Moskau pflege seit langem "konstruktive" Beziehungen zu Myanmar, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Dies bedeute aber nicht, dass Russland "die tragischen Ereignisse" in dem Land unterstütze.
Trotz internationaler Sanktionen hat die Junta bisher kein Einlenken gezeigt. Eine unabhängige Berichterstattung über die Proteste versucht die Junta durch Einschüchterung und Medienschließungen zu verhindern. Am Montag wurden erneut zwei Journalisten festgenommen. Die Zahl der seit dem Militärputsch festgenommenen Medienschaffenden stieg damit auf 55, 25 von ihnen befinden sich noch in Gewahrsam.
Am Sonntagabend waren etwa 3000 Menschen aus dem östlichen Karen-Staat ins benachbarte Thailand geflüchtet. Zuvor hatte es in der von bewaffneten Rebellen kontrollierten Region Luftangriffe gegeben, bei denen nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten vier Menschen getötet und neun weitere verletzt wurden. Beobachter befürchten, dass die Junta einen großangelegten Angriff gegen die Rebellen im Karen-Staat starten könnte. Der thailändische Ministerpräsident Prayut Chan-o-Cha sagte am Montag vor Journalisten, sein Land bereite sich auf weitere Flüchtlinge vor.
by Handout