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Trauer und sofortiger Kampf um Nachfolge nach Tod von US-Richterin Ginsburg

Trump könnte noch kurz vor der Wahl Nachfolger benennen

Der Tod der US-Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg hat große Trauer ausgelöst - und sofort auch einen Kampf um ihre Nachfolge. In Washington legten am Freitagabend (Ortszeit) hunderte Trauernde Blumen vor dem Obersten Gerichtshof nieder. US-Präsident Donald Trump und führende Politiker der oppositionellen Demokraten würdigten das Leben der besonders im liberalen Spektrum beliebten Richterin. Während die konservativen Republikaner auf die rasche Ernennung eines Nachfolgers drangen, forderten die Demokraten, erst die Präsidentschafswahl im November abzuwarten.

Ginsburg starb am Freitag im Alter von 87 Jahren an Krebs. Sie war 1993 vom damaligen US-Präsidenten Bill Clinton zur Richterin am Supreme Court ernannt worden und unter anderem wegen ihres Einsatzes für Frauenrechte bekannt. Die letzten zwei Jahre hatte Ginsburg trotz ihrer schweren Erkrankung auch vom Krankenhausbett gearbeitet. "Unsere Nation hat eine Juristin von historischer Statur verloren", erklärte der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs der USA, John Roberts.

Trump würdigte die Verstorbene als "Titanin des Rechts". Ginsburg sei für "ihr brillantes Denken und ihre kraftvollen Widersprüche am Obersten Gerichtshof" berühmt. "Ihre Urteile, inklusive ihrer sehr bekannten Entscheidungen zur Gleichberechtigung von Frauen und Behinderten, haben alle Amerikaner und Generationen von Juristen inspiriert", erklärte der Präsident.

Zu ihrer Nachfolge äußerte sich Trump zunächst nicht. Gemäß der US-Verfassung bestimmt der Präsident die Richter des Obersten Gerichtshofs und der Senat muss dem Vorschlag zustimmen. Die durch den Tod Ginsburgs entstandene Vakanz im Verfassungsgericht bietet Trump die Chance, dort eine konservative Mehrheit möglicherweise für Jahrzehnte zu sichern. In dem neunköpfigen Richterkollegium haben die konservativen Kräfte bereits ein Übergewicht, dieses könnte sich nunmehr noch verstärken.

Trump hatte im August erklärt, mit einer Ernennung kurz vor den im November anstehenden Wahlen kein Problem zu haben. In der vergangenen Woche stellte er bereits eine Liste mit 20 möglichen Kandidaten vor - alle von ihnen zutiefst konservativ.

Eine Abstimmung im Senat so kurz vor einer Wahl wäre allerdings äußerst ungewöhnlich. Der republikanische Mehrheitsführer im Oberhaus, Mitch McConnell, teilte am Freitag aber mit, sein Haus würde sich dem nicht verweigern.

Gegen ein solches Vorgehen stemmte sich der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden, der laut aktuellen Umfragen auf einen Sieg über Trump hoffen kann. Er verwies in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung McConnels im Februar 2016. Damals hatte sich der Senatschef geweigert, den vom damaligen demokratischen Präsidenten Barack Obama vorgeschlagenen Nachfolger für den gestorbenen konservativen Richter Anthony Scalia zur Abstimmung zu stellen. Als Begründung nannte McConnel die zehn Monate später angesetzte Wahl. "Das ist die Position, die der Senat auch heute einnehmen muss", forderte Biden.

Trump hat seit 2017 bereits zwei neue Verfassungsrichter ernannt. Ginsburg war eine der vier verbliebenen Liberalen. Die Einsetzung eines sechsten konservativen Richters könnte die US-Rechtsprechung für Jahrzehnte beeinflussen. Mögliche Folgen wären etwa eine Aufhebung der Abtreibungsrechte, eine weitere Liberalisierung der Wirtschaft und Einschränkungen der Rechte sexueller Minderheiten.

Ginsberg selbst hatte einem Bericht des Senders NPR zufolge kurz vor ihrem Tod die Hoffnung geäußert, dass ihr Nachfolger erst nach der Wahl bestimmt werde. Wenige Tage vor ihrem Tod diktierte sie demnach ihrer Enkelin Clara Spera ihren "letzten Willen": "Mein sehnlichster Wunsch ist, dass ich nicht ersetzt werde, bis ein neuer Präsident eingesetzt wurde."

by JIM WATSON