Bei den Kommunalwahlen in England hat sich für die regierenden Tories nach ersten Ergebnissen eine schmerzliche Niederlage abgezeichnet. Beim ersten Stimmungstest seit der Amtsübernahme von Premierminister Rishi Sunak im Oktober vergangenen Jahres verloren die Konservativen nach der Auszählung in 74 von 230 Wahlkreisen etwa ein Drittel ihrer Sitze. Sunak zeigte sich im Fernsehsender Sky am Freitag "enttäuscht".
"Es ist immer enttäuschend, hart arbeitende, konservative Gemeinderäte zu verlieren", sagte Sunak. Er sehe jedoch kein "massives Wachstum einer Bewegung hin zu Labour", sagte der Premier.
Die Wahlkampfkoordiantorin der oppositionellen Labour-Partei, Shabana Mahmood, sah das anders und sprach von einer "Katastrophe für Rishi Sunak". Labour-Chef Keir Starmer sagte vor Parteianhängern im südostenglischen Medway, die Partei habe "fantastische Ergebnisse im ganzen Land" erzielt, an "Orten, die wir gewinnen mussten".
Die Auszählung sollte im Laufe des Freitags in allen Wahlkreisen abgeschlossen sein. Die letzten Wahllokale hatten am Donnerstag erst um 22.00 Uhr (23.00 Uhr MESZ) geschlossen.
Sollte sich der Trend der ersten Ergebnisse bestätigen, wäre dies die schlimmste Niederlage der Tories bei Kommunalwahlen seit Mitte der 1990er Jahre. Im Anschluss war Labour auf nationaler Ebene nach einem Erdrutschsieg mit Tony Blair an die Regierung gekommen.
"Wir sind auf dem Weg zu einer Labour-Mehrheit bei der nächsten Parlamentswahl", sagte Starmer. Die Wahlen zum britischen Unterhaus sind für das kommende Jahr angesetzt.
Labour konnte zunächst 148 Sitze in Gemeinde- und Stadträten hinzugewinnen, unter anderem in umkämpften Orten wie Plymouth, Medway und Stoke-on-Trent, in den sogenannten Midlands. Dort hatten vor sieben Jahren 70 Prozent der Wähler für den Brexit gestimmt.
Auch die Liberaldemokraten konnten 65 Sitze hinzugewinnen, vor allem in wohlhabenden, konservativen Wahlkreisen. "Wir übertreffen alle Erwartungen", erklärte Parteichef Ed Davey.
Auf nationaler Ebene liegen die Tories in den Umfragen seit Monaten weit mit bis zu zweistelligen Werten hinter Labour. Aus den Umfragen ging hervor, dass die Wähler über die zweistellige Inflationsrate und die hohen Lebenshaltungskosten besorgt sind. Dazu kommt eine Krise des staatlichen National Health Service und großflächige Streiks von Ärzten und Krankenschwestern für eine bessere Bezahlung.
Sunak verteidigte am Freitag auch eine Gesetzesänderung, wonach Wähler erstmals bei der Stimmabgabe einen Lichtbildausweis vorzeigen mussten. Die Wahlkommission kündigte an, zahlreichen Berichten nachzugehen, wonach Wähler am Donnerstag in Wahllokalen abgewiesen worden seien.
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