Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) – Ein besorgniserregendes Problem bedroht die Ostsee: Vergessenes Gift im Meeresboden. US-Wissenschaftler haben im Binnenmeer das weltweit größte Gebiet mit Thallium-Verseuchung entdeckt. Die Bemühungen der Anrainer-Staaten, das Ökosystem der Ostsee zu schützen, tragen sogar dazu bei, die Situation zu verschlimmern - wie gefährlich ist die Situation für Menschen und Urlauber?
Thallium ist das giftigste Metall, das Toxikologen kennen und kann sowohl bei Menschen als auch bei Tieren zu schweren gesundheitlichen Schäden und sogar zum Tod führen. Dies geschieht trotz bereits bestehender Bedrohungen durch Wasserversauerung und Bakterien, die den Badeurlaub an der Ostsee gefährden. Die Wissenschaftler der renommierten Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) aus Massachusetts (USA) haben den Ostseeboden durch Bohrungen untersucht und ihre Ergebnisse im Fachmagazin "Environmental Science & Technology" veröffentlicht. Die Ergebnisse zeigen eine alarmierende Ausbreitung von Thallium in der gesamten Ostsee. Die Hauptursache liegt in den Abwässern der Schwer- und Zementindustrie, die über Jahrzehnte fast ungefiltert in die Meere gelangten und das Thallium im Ostseeboden ablagerten.
Die höchste Thallium-Belastung wurde in den Bohrkernen mit 2,5 Mikrogramm pro Gramm Sediment in einer Tiefe von 14 Zentimetern unter der Oberfläche gefunden. Wissenschaftler Sune Nielsen bezeichnet dieses Gebiet als das geografisch umfangreichste mit Thallium-Kontamination, das jemals dokumentiert wurde. Obwohl das Gift unter dem Sand relativ harmlos erscheint, besteht die Gefahr, dass es freigesetzt wird, insbesondere durch die Bemühungen der Anrainer-Staaten wie Deutschland, Schweden, Dänemark und die baltischen Staaten, Sauerstoff in das Meer zu pumpen, um Todeszonen zu bekämpfen. Diese Sauerstoffzufuhr löst die Thallium-Ionen aus dem Schlamm und führt dazu, dass sie sich im Meerwasser ausbreiten. Sie können nicht nur beim direkten Kontakt toxisch sein, sondern auch von Fischen aufgenommen und anschließend in die Nahrungskette gelangen, was die Gesundheit der Badegäste und anderer Menschen gefährdet, die die Ostsee besuchen.
Die Forscher warnen davor, den Sauerstoffgehalt des Meeres zu stark zu erhöhen, da dies dazu führen könnte, dass das Gift freigesetzt wird und nicht nur die Umwelt, sondern auch die menschliche Gesundheit gefährdet. Es ist besonders besorgniserregend, da jedes Jahr Millionen von Menschen an der deutschen Ostseeküste Urlaub machen.
Thallium ist ein Schwermetall, das in der Natur vorkommt, aber auch in Lebensmitteln und im Trinkwasser gefunden werden kann, normalerweise jedoch in sehr geringen Mengen. Die durchschnittliche tägliche Aufnahme von Thallium wird auf zwei bis fünf Mikrogramm geschätzt, wobei Werte über zehn Mikrogramm als problematisch gelten. Eine Vergiftung kann bereits auftreten, wenn 1,5 Milligramm Thallium pro Kilogramm Körpergewicht aufgenommen werden, was zu verschiedenen Symptomen wie Durchfall, Unwohlsein und Bauchschmerzen führen kann. Schon ab acht Milligramm Thallium pro Kilogramm Körpergewicht kann es tödlich sein.