Die Gesundheitsbehörden an der deutschen Ostsee haben erstmals in diesem Jahr Vibrionen im Ostseewasser festgestellt. Angesichts hoher Temperaturen gehen sie davon aus, dass diese Bakterien entlang der gesamten Ostseeküste auftreten können. “Wo genau die Vibrionen nachgewiesen worden sind, ist irrelevant”, sagt Anja Neutzling, Sprecherin vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGuS). Wenn es einen Nachweis in der Ostsee gibt, werden die Vibrionen überall zu finden sein, erklärt sie. Vibrionen können potentiell tödlich sein – hier alle Hintergründe:
Bisher wurde keine Infektion beim Menschen nach Kontakt mit Ostseewasser gemeldet, teilt das LAGuS am Donnerstag mit. Das Risiko einer Infektion mit Vibrionen ist auch für Badegäste sehr gering – im vergangenen Jahr wurden laut dem Landesamt zehn Infektionen gemeldet. Das Robert Koch-Institut (RKI) erklärt jedoch, wie gefährlich eine solche Infektion sein kann. Vibrionen sind stäbchenförmige Bakterien, die salzliebend sind. Der bekannteste Vertreter ist Vibrio cholerae, der Cholera verursachen kann. Im Ostseewasser handelt es sich jedoch um Nicht-Cholera-Vibrionen, die als Teil der normalen Bakterienflora vor allem in salzhaltigen Gewässern vorkommen. Sie sind kein Anzeichen für eine fäkale Verunreinigung des Wassers.
Vibrionen kommen weltweit in Gewässern vor. Sie vermehren sich besonders stark bei einem Salzgehalt von 0,5 bis 2,5 Prozent und ab einer Temperatur von über 20 Grad Celsius. Diese Bedingungen sind in warmen Sommern wie diesem an Teilen der deutschen Nord- und Ostseeküste gegeben. Daher besteht dort ein gewisses Risiko einer Infektion mit Vibrionen. Das Risiko ist besonders hoch an oder in der Nähe von flachen Küstenbereichen, die sich schnell erwärmen, da das einströmende Süßwasser den Salzgehalt reduziert. Aber auch in Buchten, Lagunen, Brackwasser und teilweise auch in Binnenseen besteht ein erhöhtes Risiko. Infektionen sind in tieferen Strandabschnitten und Bereichen, in denen Wellen, Strömungen oder Gezeiten die Wassersäule stärker durchmischen, weniger wahrscheinlich. Der Atlantik und das Mittelmeer sind an vielen Orten mit einem Salzgehalt von über 3 Prozent zu salzhaltig für eine optimale Vermehrung von Vibrionen.
Nicht-Cholera-Vibrionen können Wundinfektionen verursachen, die zu Komplikationen wie einer Sepsis führen können – einer Infektion mit Erregern, die mehrere Organe betreffen kann. Die Infektionen können entstehen, wenn offene, nicht verheilte Wunden mit erregerhaltigem Meerwasser in Kontakt kommen, zum Beispiel beim Baden oder Waten im Wasser. Sie können jedoch auch durch Wunden verursacht werden, die im Wasser erlitten wurden. Durch die bakteriellen Toxine können sich invasive, oft eitrige Infektionen entwickeln, die dringend chirurgisch behandelt werden müssen. In den USA, Israel und vereinzelt in Deutschland wurden auch Infektionen durch Verletzungen bei der Verarbeitung von Meeresfrüchten und rohem Seefisch nachgewiesen. Sie können nach dem Verzehr von rohem Fisch oder Austern oder unzureichend gegarten Meeresfrüchten wie Garnelen auftreten. Vibrionen können auch Ohrenentzündungen verursachen.
Oberflächliche Wundinfektionen können sich schnell ausbreiten. Die Inkubationszeit hängt vom Erreger ab und beträgt in der Regel nur zwischen 4 und 96 Stunden. Ein frühes Symptom ist starker lokaler Schmerz, der im Verhältnis zur sichtbaren Wunde überproportional erscheint. Zusätzlich können Fieber, Schüttelfrost und Sepsis auftreten.
Bei gastroenteritischen Infektionen treten dagegen krampfartige Magenschmerzen, Erbrechen, Übelkeit und wässriger Durchfall auf. In schweren Fällen kann es auch zu einer Sepsis kommen. Vibrionen sind meldepflichtig, jedoch geht das RKI davon aus, dass sie oft nicht richtig diagnostiziert werden. Mit einer schnellen, angemessenen und ausreichend dosierten Antibiotika-Gabe können Infektionen auch bei Risikopatienten gut behandelt werden. Unbehandelt oder zu spät behandelt kann eine schnelle Ausbreitung der Infektion zu einer chirurgischen Behandlung bis hin zur Amputation betroffener Gliedmaßen führen. Schwere Vibrionen-Erkrankungen können tödlich verlaufen.