Die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja hat bei ihrem Besuch in Deutschland um breite Unterstützung für die Protestbewegung in Belarus geworben. "Wir brauchen Vermittlung, um einen Dialog zu starten" mit der Staatsführung von Machthaber Alexander Lukaschenko, sagte Tichanowskaja am Dienstag in Berlin. Dabei hoffe sie auf Unterstützung durch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): "Ich bin sicher, in dieser Situation wird sie extrem hilfreich sein."
Tichanowskaja rief das Ausland auf, zur Lage in Belarus "klar Stellung zu beziehen" und den Druck auf Lukaschenko aufrecht zu erhalten. Der nach einer von Betrugsvorwürfen überschatteten Präsidentschaftswahl zum Sieger ausgerufene Lukaschenko dürfe nicht als legitimes Staatsoberhaupt anerkannt werden, die EU-Sanktionsliste gegen die politische Führung müsse umgesetzt und erweitert werden. Sanktionen seien nur der "Anfang des Drucks", den die EU auf den belarussischen Machthaber ausüben könne.
Die EU hatte vor einer Woche Strafmaßnahmen gegen 40 Verantwortliche für Wahlbetrug und Gewalt gegen Demonstranten in Belarus in Kraft gesetzt. Darunter sind neben Innenminister Juri Karaeu Vertreter der Wahlkommission und der Sicherheitskräfte, nicht aber Präsident Lukaschenko. Die USA verhängten Sanktionen gegen acht Regierungs- und Behördenvertreter des Landes.
Gleichzeitig müssten die Demonstrationen und Streiks gegen Lukaschenko in Belarus selbst fortgesetzt werden, sagte Tichanowskaja. Die in Deutschland lebenden Belarussen rief sie auf, die Protestbewegung in der Heimat weiter zu unterstützen. "Dank euch hört die Welt, was in Belarus passiert", sagte die 38-jährige Präsidentschaftskandidatin bei einer Demonstration von Belarussen am Montagabend am Brandenburger Tor in Berlin. "Ihr könnt euch kaum vorstellen, wie wichtig eure Hilfe für die Menschen zuhause ist."
Am Nachmittag sollte Tichanowskaja von Merkel im Kanzleramt empfangen werden. Mit dem Treffen wollte die Kanzlerin nach den Worten ihres Sprechers ihre Unterstützung für einen Dialog in Belarus deutlich machen. Im Anschluss waren Gespräche mit Vertretern der Grünen und der Union geplant. Am Mittwoch folgt ein Treffen der belarussischen Oppositionellen mit Außenminister Heiko Maas (SPD).
In Belarus dauern die Proteste seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl vom 9. August an. Angesichts des brutalen Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen Regierungskritiker war die Oppositionskandidatin Tichanowskaja kurz nach der Wahl ins Exil nach Litauen geflohen. Die EU erkennt den von den belarussischen Behörden proklamierten Wahlsieg Lukaschenkos nicht an.
by Odd ANDERSEN