Andy Ruiz Jr. hat Anfang des Monats Anthony Joshua ausgeknockt und sich die Weltmeistertitel der WBA, WBO und IBF gesichert. Es ist eine der größten Überraschungen in der Geschichte des Boxsports. Ruiz war mit 11:1 Punkten der Außenseiter und stand einem Gegner gegenüber, der ungeschlagen war. Doch in der siebten Runde zementierte Ruiz seinen Platz in der Geschichte des Schwergewichts als erster Boxer mexikanischer Abstammung, der sich den Schwergewichtstitel sicherte.
Vielleicht sollte das keine Überraschung sein. Immerhin hat Ruiz sein ganzes Leben lang die Widrigkeiten überwunden.
Als Ruiz sechs Jahre alt war, brachten ihn seine Eltern in die Turnhalle, um das Boxen zu lernen. Ruiz war ein hyperaktives Kind, das oft in Schwierigkeiten geriet, und seine Eltern dachten, dass es ihm helfen würde, seine Energie durch Boxen abzubauen.
Da Ruiz ein großes Kind war, musste er leider gegen Kinder kämpfen, die fast doppelt so alt waren wie er. Als Siebenjähriger verlor er gegen einen 12-Jährigen und wollte den Sport ganz aufgeben.
Stattdessen blieb er dabei und feilte weiter an seinem Können. Im Jahr 2008 verpasste er nur knapp einen Platz in der mexikanischen Box-Olympiamannschaft. Im darauffolgenden Jahr wurde er im Alter von 19 Jahren Profi und startete eine beeindruckende Erfolgsserie. Trotz ständiger Spötteleien über sein Gewicht und seinen Körperbau gewann er 31 von 32 Kämpfen.
Anfang 2018 vertrat Ruiz sich selbst und bekam etwa 30.000 Dollar pro Kampf geboten. Sicherlich kein schlechter Zahltag, aber bei weitem nicht das, was die Großen des Sports verdienen können.
Ruiz bekam Mitte April 2019 jedoch eine Chance: Joshuas Gegner vom 1. Juni, Jarrell "Big Baby" Miller, wurde positiv auf leistungssteigernde Mittel getestet. Joshua brauchte einen Ersatz - und zwar schnell.
In der gleichen Woche besiegte Ruiz Alexander Dimitrenko und verbesserte seine Bilanz auf 32-1. Joshuas Team nahm Kontakt zu seinem Schwergewichtskollegen Luis Ortiz auf, um Miller zu ersetzen, aber Ortiz lehnte das Angebot mit der Begründung ab, es sei nicht genug Geld.
Ruiz sah eine Chance - er schickte eine private Instagram-Nachricht an den Kampfpromoter Eddie Hearn. Ruiz' Nachricht: Ich bin bereit zu kämpfen.
Am 1. Mai war der Kampf Ruiz gegen Joshua angesetzt. Genau einen Monat später stand Ruiz über einem ausgeknockten Joshua und sonnte sich im Lärm der Menge, als er Boxgeschichte schrieb. Das Preisgeld belief sich auf etwa 7 Millionen Dollar. Eine ziemliche Gehaltserhöhung gegenüber den 30.000 Dollar, die er weniger als zwei Jahre zuvor verdient hatte!
Diesem pummeligen Sechsjährigen mag es nicht bewusst gewesen sein, aber all die Tage in der Turnhalle führten fast ein Vierteljahrhundert später zu einem magischen Moment. Ruiz' Geschichte kann jedem als Inspiration dienen - wenn man hart genug arbeitet und seine Chancen nutzt, kann auch man Ruhm erlangen.
