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Tausende Flüchtlinge nach Brandkatastrophe in Flüchtlingslager Moria obdachlos

Lager auf Insel Lesbos abgebrannt - Berichte über Brandstiftung

Ein verheerendes Großfeuer hat das überfüllte Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos zerstört und mehr als 12.000 Menschen obdachlos gemacht. Männer, Frauen und Kinder rannten in der Nacht zum Mittwoch in Panik aus ihren Wohncontainern und Zelten auf nahegelegene Olivenhaine und Felder, während die Flammen das Lager erfassten. Die griechische Zivilschutzbehörde verhängte den Ausnahmezustand, die Bundesregierung sprach von einer "humanitären Katastrophe".

Nach Angaben der Feuerwehr gab es keine Verletzten oder Todesopfer, mehrere Menschen litten unter leichten Rauchverletzungen. Über dem Lager hingen noch Stunden nach dem Feuer Rauchschwaden, wie auf Videoaufnahmen von AFP zu sehen war. Als Ursache für das Feuer wurde Brandstiftung vermutet.

Wenige Stunden vor dem Ausbruch der Brände hatte das Migrationsministerium in Athen mitgeteilt, dass 35 Bewohner des Lagers positiv auf das Coronavirus getestet worden seien. Die griechische Nachrichtenagentur ANA meldete unter Berufung auf die Polizei, die Feuer seien nach Protesten einiger Bewohner des Lagers absichtlich gelegt worden, die nach einem positiven Corona-Test oder wegen Kontakts zu Infizierten unter Quarantäne gestellt werden sollten.

Eine unabhängige Bestätigung gab es dafür zunächst nicht. Ein örtlicher Behördenvertreter sagte allerdings, Brandstifter hätten "sich starke Winde zunutze gemacht" und absichtlich Zelte in Brand gesteckt. "Es war vorsätzlich. Die Zelte waren leer", sagte Michalis Fratzeskos, Vizechef des Zivilschutzes, dem staatlichen Fernsehsender ERT.

Hunderte Insassen versuchten in der Nacht, zu Fuß in Richtung des Hafens der Inselhauptstadt Mytilini zu fliehen. Dabei wurden sie jedoch von der Polizei gestoppt. Andere Flüchtlinge suchten in den Hügeln in der Umgebung des niedergebrannten Flüchtlingslagers Unterschlupf.

Die Flüchtlingshilfsorganisation Stand by Me Lesvos schrieb unter Berufung auf Augenzeugen, dass Einwohner flüchtende Asylbewerber daran gehindert hätten, ein nahegelegenes Dorf zu betreten. Die Zivilschutzbehörde verhängte einen viermonatigen Ausnahmezustand über die Insel mit 85.000 Einwohnern.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte, die EU und ihre Mitgliedstaaten seien zur Hilfe bereit. Priorität für die EU habe der Schutz derjenigen, die durch den Brand ihre Unterkunft verloren hätten. Von der Leyen schickte ihren griechischen Vizepräsidenten Margaritis Schinas nach Griechenland, um sich ein Bild von der Lage zu machen.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sprach von einer "humanitären Katastrophe" und forderte die Verteilung der Betroffenen auf aufnahmewillige Staaten in der EU. Mit der EU-Kommission "und anderen hilfsbereiten EU-Mitgliedstaaten" müsse schnellstens geklärt werden, "wie wir Griechenland unterstützen können". Dazu gehöre auch die Verteilung von Geflüchteten unter Aufnahmewilligen in der EU, erklärte Maas.

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson teilte mit, sie habe die Finanzierung der sofortigen Verlegung und Unterbringung der 400 noch verbliebenen unbegleiteten Minderjährigen auf das griechische Festland genehmigt.

Norwegen bot die Aufnahme von 50 Syrern aus Moria an. Griechenland hat den ehemaligen Insassen des Lagers jedoch verboten, die Insel zu verlassen. Eine Ausnahme werde es lediglich für die 400 unbegleiteten Minderjährigen geben, berichtete die Nachrichtenagentur ANA unter Berufung auf das Migrationsministerium.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR entsandte Mitarbeiter nach Lesbos, um den Behörden zu helfen. Es appellierte an die ehemaligen Bewohner des Lagers, in der Region zu bleiben. Die Suche nach Unterkünften laufe.

"Es gibt kein Moria, es ist zerstört worden", sagte der stellvertretende Regionalgouverneur Aris Hatzikomninos dem Sender ERT. Zusätzliche Einsatzkräfte der Polizei wurden auf die Insel gebracht.

Behördensprecher Stelios Petsas sprach von einer "gigantischen" Aufgabe, die obdachlosen Flüchtlinge unterzubringen sowie die bestätigten Corona-Infektionsfälle ausfindig zu machen.

Moria war seit Jahren völlig überfüllt. Das Lager war für rund 2800 Menschen ausgelegt, doch lebten dort mehr als 12.700 Asylsuchende unter schwierigsten Bedingungen. In der vergangenen Woche war dort der erste Fall einer Coronavirus-Infektion festgestellt worden.

by Von Will VASSILOPOULOS