Auf einer Großkundgebung in Berlin haben am Sonntag tausende Menschen gegen Antisemitismus und für Solidarität mit Israel demonstriert. Die Veranstalter sprachen von mindestens 25.000 Teilnehmern, die Polizei nannte eine Zahl von 10.000. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief alle Bürgerinnen und Bürger zum Schutz jüdischen Lebens auf. "Ich bitte alle Menschen in unserem Land, diese Bürgerpflicht anzunehmen", sagte Steinmeier am Brandenburger Tor.
Diese Pflicht gelte für alle Menschen hierzulande ungeachtet von Herkunft oder politischem Standpunkt. "Zeigen wir, dass in Deutschland Menschen mit jüdischen, christlichen, muslimischen, arabischen Wurzeln friedlich zusammenleben können und wollen", sagte Steinmeier laut Redetext. "Das und nicht weniger ist von uns verlangt."
"Jeder, der hier lebt, muss Auschwitz kennen und die Verantwortung begreifen, die daraus für unser Land erwächst", sagte der Bundespräsident. "Seien wir uns einig in der Ablehnung von Terrorismus und Barbarei! Verurteilen wir gemeinsam jede Form von Antisemitismus und Rassismus."
Zu der Kundgebung am Brandenburger Tor hat ein breites Bündnis demokratischer Parteien und zivilgesellschaftlicher Organisationen auf Initiative der Deutsch-Israelischen Gesellschaft aufgerufen. Dazu gehören CDU, SPD, Grüne, FDP und Linkspartei, die katholische und die evangelische Kirche, der Zentralrat der Juden in Deutschland, der Deutschen Gewerkschaftsbund, der Arbeitgeber-Dachverband BDA sowie unter anderem Campact, der Paritätische Gesamtverband, der Deutsche Naturschutzring und der muslimische Verein Alhambra.
Eine zeitgleich geplante pro-palästinensische Kundgebung am nahe gelegenen Potsdamer Platz wurde am Samstag von der Polizei verboten, weil "antisemitische Ausrufe" und "Gewalttätigkeiten" zu erwarten seien.
Steinmeier hob in seiner Rede den Wert von Versammlungs- und Meinungsfreiheit hervor. Diese Freiheiten müssten aber gewaltlos und im Rahmen der Gesetze ausgeübt werden. "Antisemitische Volksverhetzung, Attacken auf jüdische Synagogen, Angriffe auf Polizisten sind keine Wahrnehmung von Freiheit. Es sind Straftaten."
An die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas gerichtet, forderte Steinmeier: "Die ganze Welt schaut auf dieses Verbrechen! Beenden Sie die Barbarei! Lassen Sie die Unschuldigen frei!" Die Hamas hatte die Israel mit Terrorangriffen überzogen und mehr als 200 Geiseln genommen.
Auf der Kundgebung in Berlin schilderten Angehörige in emotionalen Worten das Schicksal der Geiseln und forderten Deutschland zum Handeln auf. "Die Zeit drängt", sagte die Schwester der Deutsch-Israelin Yarden Romann, die von der radikalislamischen Hamas verschleppt wurde. "85 Jahre, nachdem meine Großmutter aus Deutschland geflohen ist, komme ich hierher und bitte um Hilfe", sagte die junge Frau. "Wir müssen handeln, Deutschland muss handeln."
Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, sagte: "Wir stehen hier, weil wir Israel und seinen Menschen Solidarität zeigen wollen." Angesichts der Angriffe auf jüdische Einrichtungen und weiterer Vorfälle in Deutschland sprach Beck von einem "blanken Antisemitismus". Dies sei "unerträglich".
Es wurden Forderungen nach innenpolitischen Konsequenzen laut. Daniel Botmann, Geschäftsführer des Zentralrats der Juden, sagte, wer antisemitische Straftaten begehe und keine deutsche Staatsbürgerschaft besitze, müsse ausgewiesen oder abgeschoben werden. "Solche Leute sind nicht Teil unserer freiheitlichen Gesellschaft", sagte Botmann.
Ähnlich äußerten sich Parteienvertreter. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann wies darauf hin, dass es in Deutschland "ein großes Problem" mit dem politischen Islam gebe, dessen Bestandteil auch Judenhass sei. "Hier wurde zu lange weggeschaut." Abschiebungen müssten daher intensiviert und die Einwanderung von Antisemiten unterbunden werden.
FDP-Generalsekreetär Bijan Djir-Sarai forderte: "Wir müssen über Fragen wie Migration und Defizite in der Integrationspolitik viel deutlicher reden." Es müsse klar gemacht werden, dass "Menschen, die unsere Werte ablehnen, hier nichts zu suchen haben".
Mehrere Redner wandten sich zugleich gegen eine pauschale Verurteilung der Muslime in Deutschland. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken forderte, es dürfe nicht zugelassen werden, "dass Rechtsextremisten den Terror der Hamas in einen fundamentalen Hass gegen den Islam wenden". "Die Muslime, die mit uns leben, haben diesen Hass nicht verdient", sagte sie in Berlin.
Die christlichen Kirchen bezeugten Israel und den jüdischen Menschen ihre Solidarität. "Es gibt keine Rechtfertigung für Judenhass", sagte Annette Kurschus, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. Jeder Versuch, das "Massaker" der Hamas vom 7. Oktober zu relativieren, sei Antisemitismus. Der Fuldaer Bischof Michael Gerber, Vize- Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz sagte, niemand dürfe zu den "Verbrechen" der Hamas und auch nicht zu den antisemitischen Ausbrüchen in Deutschland schweigen.
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