“Tatort: Das Leben nach dem Tod”
Im neuen “Tatort: Das Leben nach dem Tod” (10. November, 20:15 Uhr, das Erste) werden gesamtgesellschaftliche Themen aufgegriffen: Die Angst davor, alleine zu sterben, Rassismus in der Polizei, aber auch die Todesstrafe in der DDR spielt im Berlin-Krimi eine große Rolle. Mittendrin: Die deutsche Schauspielerin Meret Becker (50, “Kokowääh”), die seit 2015 als Kommissarin Nina Rubin zu sehen ist. Schauspieler Mark Waschke (47) ermittelt seither als ihr Kollege Robert Karow im Berliner “Tatort”.
Doch bald ist Schluss: Im Mai 2019 gab die 50-Jährige ihren Ausstieg beim “Tatort” bekannt. Ab 2022 möchte sie sich anderen künstlerischen Aufgaben widmen und sich auf Neues konzentrieren. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verrät Meret Becker nun, ob ihr der Abschied vom “Tatort” schwerfällt, ob sie an ein Leben nach dem Tod glaubt und ob sie von der Todesstrafe in der DDR wusste.
Meret Becker: Ich bin hin- und hergerissen. Mein Vater sagt nein, aber ich dachte immer ja. Man kann schließlich mit Toten kommunizieren. Ich glaube auf jeden Fall, dass nichts verschwindet und dass jeder Mensch eine Energie in sich trägt, die sich nach dem Tod wieder in den Raum begibt. Aber ich weiß es natürlich nicht. Wir Menschen tun immer so, als wüssten wir alles und halten uns für klüger als die Tiere. Aber die haben zum Beispiel ganz andere Sinne, von denen wir keinen blassen Schimmer haben.
Becker: Ja. Früher hat mich das sehr interessiert. Weil ich als Kind irgendwann verstanden habe, dass ich dem Tod nicht ausweichen kann und ich ihn unweigerlich erleben werde. Lustigerweise erlebt man ja den Tod. Das hat mich sehr beeindruckt und mich als Kind tagtäglich beschäftigt. Deshalb habe ich mich verstärkt mit der Thematik des Sterbens auseinandergesetzt. Ich habe daran gearbeitet, dass ich die Angst davor verliere – und ich bin auf einem guten Weg.
Becker: Ich habe erst später erfahren, dass es viele Leute gibt, die sich noch nie mit dem Thema beschäftigt haben. Als Kind habe ich meinen Eltern nachts, wenn sie im Theater gearbeitet haben, viele Briefe darüber geschrieben. Ab meinem siebten Lebensjahr, als meine beiden Großmütter kurz nacheinander starben, habe ich es verstanden. Ich hatte plötzlich eine übermäßige Klarheit, dass es so sein wird. Einen Überrealismus, den man eigentlich fast nicht aushalten kann.
Becker: Ich glaube, das Gefühl von Rache ist etwas tief Menschliches, aber es hängt nicht mit Gerechtigkeit zusammen. Auch wenn die Begriffe wortverwandt sind. Ich habe zum Beispiel ein tiefes Gerechtigkeitsgefühl und bin bei Ungerechtigkeit zutiefst gekränkt – egal ob es mir widerfährt oder anderen Menschen. Wenn Kinder zum Beispiel von Erwachsenen misshandelt werden oder allgemein Menschen unter anderen leiden – dann geht das richtig gegen das Gerechtigkeitsgefühl. Dann kommt im nächsten Moment die Wut hoch und diese Wut ist eigentlich das Rachegefühl. Aber ich bin zum Beispiel nicht rachsüchtig, sondern jemand, der das gerne wegatmet. Ich wünsche mir manchmal, dass die Größe, die es für das Wegatmen braucht, wahrgenommen wird. Rache ist nämlich etwas Fürchterliches. Rache macht Kriege.
Becker: Die Szene ist einfach so entstanden, ehrlich gesagt. Natürlich war eine Szene vorgeschrieben, die bestimmte Dinge voraussetzt. Aber wie sie sich letzten Endes entwickelt hat, war so nicht vorgegeben. Es war ein beglückendes Gefühl für alle Beteiligten. Mark, ich, Regisseur Florian Baxmeyer, und die Kamerafrau hatten plötzlich das Gefühl: “Oh, da geht was.” Plötzlich gingen Türen auf und wir waren alle wahnsinnig konzentriert. Das war ein Moment, in dem man wahrgenommen hat, was unterschwellig brodelt, und das haben wir mit reingepackt.
Becker: Ja, das sagt viel über die Gesellschaft aus. Darüber denkt man natürlich nach, wenn man in einer Wohnung dreht, die voller Fliegen ist und eine Figur auf dem Boden liegt, die aus Maden besteht. Und da stand im Flur ein gebrauchtes Paar Schuhe. Die haben ja mal jemandem gehört, im echten Leben. Plötzlich erhält das Ganze eine Realität und das berührt einen sehr. Auch das ist eingeflossen in die Szene, in der sich Karow und Rubin näherkommen. Das sind Momente, die einen umhauen. Ich denke oft darüber nach, ob ich wieder in Altersheimen oder Krankenhäusern Musik machen sollte – was ich als Teenie mal gemacht habe. Als eine alte Frau mich da nicht loslassen mochte und geweint hat, tat mir das unendlich leid. Diese Menschen haben es nicht verdient, einsam zu sterben.
Becker: Nein, das wusste ich nicht. Ich war, wie meine Rolle, im ersten Moment sehr erstaunt darüber. Ich wusste, dass in der DDR viele Menschen zu Schaden gekommen sind – wie leider in so vielen anderen Regimen auch. Aber von der Todesstrafe wusste ich nichts, allerdings wirkt dieses Wissen nach: beispielsweise dass im “Tatort” erzählt wird, wie sie versucht haben, es nicht wie eine Todesstrafe aussehen zu lassen. Auch mit welcher Kälte sie mit den Menschen umgegangen sind. Das ist sehr beeindruckend.
Becker: Noch habe ich vier “Tatorte” vor mir – das ist also noch ein bisschen weit weg. Aber in der Szene, in der sich Karow und Rubin umarmen, ist der nahende Abschied schon mit eingeflossen. Die Gedanken an das Ende werden mehr werden. Mal sehen, wie der letzte Drehtag wird. Ich bin gespannt.
Becker: Ich habe einen Wunsch, wie sie sich verabschieden wird. Aber ob das so sein wird, wird sich zeigen…
(amw/spot)