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“Tatort: Hüter der Schwelle”: So gut ist der Stuttgart-Krimi

Regie-Premiere in der ARD

Der “Tatort: Hüter der Schwelle” (29. September, 20:15 Uhr, das Erste) ist ein besonderer Film, das wird schon in der Eröffnungsszene klar. Die Kamera fliegt über ein Maisfeld vor den Toren Stuttgarts, bis sie schließlich über einem grauen, verdorrten Baum verharrt. Wo im Feld der Mais in engen Reihen gleichförmig hochgeschossen steht, regiert im Wald die Wildnis.

Die beiden Domänen trennt ein heller Feldweg und der Flug der Kamera kommt einem Übertritt gleich – vom Geordneten ins Mystische. Besser hätte Piotr J. Lewandowski (44) seinen Film nicht aufmachen können, denn auch die Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller, 63) und Sebastian Bootz (Felix Klare, 40) müssen für ihren neuesten Fall einige Schwellen übertreten.

In dem Waldstück wird die Leiche eines jungen Mannes gefunden, der das Opfer eines Ritualmordes geworden zu sein scheint. Der nackte Tote liegt erdolcht im Zentrum eines weißen Kreises und ist mit blutigen Symbolen beschmiert. Ihre Ermittlungen führen Lannert und Bootz schnell zum Privatgelehrten Emil Luxinger (André M. Hennicke, 60), der sich für einen Magier hält und glaubt, uralte Geheimnisse vor ihrer Entdeckung bewahren zu müssen. Luxinger ist in den Fall verwickelt, das ist klar – nur wie? Und welche Rolle spielt die schöne Studentin Diana Jäger (Saskia Rosendahl, 26), die vor allem auf Bootz eine ganz eigene magische Wirkung hat?

Die beiden Stuttgarter Ermittler müssen sich in einen magischen Zirkel vorarbeiten, in dem die Welt in ihrem Innersten nicht von physikalischen Gesetzen zusammengehalten wird, sondern von Magie und göttlichem Willen. Dabei verfolgen die beiden Kommissare unterschiedliche Ermittlungsansätze: Während Lannert auf klassische Kriminaler-Arbeit setzt, die ihn an die Grenzen zwischen Erklärbarem und Unerklärlichem bringt, geht Bootz handfester vor und überschreitet selbst Grenzen…

Ja, denn dieser Fall ist Krimi-Unterhaltung vom Feinsten und wohl der vorläufige Höhepunkt der noch jungen “Tatort”-Saison. Trotz seines mystisch-okkulten Themas wird die Geschichte stringent und temporeich erzählt und entfaltet einen tollen Spannungsbogen, der in einer durchaus überraschenden Auflösung mündet. Hier ist keine Figur zu viel, jede Dialogzeile treibt die Handlung voran, jede Szene hat ihren Platz. Zu jedem Zeitpunkt will man wissen, wie es weitergeht.

Bemerkenswert ist auch, dass die Erzählung zu keinem Zeitpunkt ins Alberne abrutscht. So liefert der “Tatort” etwa für den schizophren-anmutenden Wahn seines Mordopfers eine magische Erklärung. Der Film stellt dieser aber eine zweite, wissenschaftliche gegenüber. Auf diese Weise bleibt das Magische im Krimi stets erklärbar und der Fall realistisch.

Da ist es verschmerzbar, dass Glasauers Drehbuch an mancher Stelle arg tief in die Klischee-Kiste greift: Ein geheimnisvolles Buch hat einen geheimnisvollen Einband, an jeder Ecke liegt ein neuer Dolch und zwielichtige Pfarrer erzählen in zwielichtigen Krypten von Inquisition und Hexenprozessen. Der Film geizt auch nicht mit Versatzstücken aus bekannten Horror- und Mystery-Streifen, die aber sehr geschickt in die Handlung eingewoben wurden.

Doch nicht nur die Geschichte rund um Magie, Hexenjagd und Opferkulte weiß an den Bildschirm zu fesseln. Regisseur Lewandowski und sein Kameramann Jürgen Carle haben für “Hüter der Schwelle” eine geradezu betörende Bilderwelt erschaffen. Gefilmt in düsteren Wäldern, zwielichtigen Katakomben, schummrigen Gelehrtenstuben und unterlegt mit techno-artiger Filmmusik, entfaltet dieser “Tatort” einen großen Zauber, der von Beginn an in seinen Bann zieht.

(pcl/spot)

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