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Tarifvertrag in der Altenpflege unter Dach und Fach

Mindestentgelte sollen in vier Schritten um 25 Prozent steigen

Die Einkommen in der Altenpflege gelten als viel zu gering - jetzt sollen sie deutlich steigen: Die Gewerkschaft Verdi einigte sich nach Angaben vom Montag mit der Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) auf letzte Details eines Tarifvertrags. Demnach sollen die Mindeststundenentgelte bis Mitte 2023 um 25 Prozent steigen. Der mit dem BVAP konkurrierende Arbeitgeberverband Pflege kündigte allerdings Klage gegen den Tarifvertrag an.

Grundzüge des Tarifvertrags waren bereits im September vergangenen Jahres festgezurrt worden. Danach waren aber weitere Arbeiten nötig, um die vom Arbeitnehmerentsendegesetz vorgeschriebenen Voraussetzungen zu erfüllen. Laut Verdi soll der Tarifvertrag vom Bundesarbeitsministerium zum 1. August für allgemeinverbindlich für die ganze Branche erklärt werden.

Vorgesehen ist, dass die Mindeststundenentgelte für alle Beschäftigten in der Altenpflege in vier Schritten steigen - erstmals zum 1. August 2021 und letztmalig zum 1. Juni 2023. Am Ende der Lohnerhöhungen würden Pflegehelferinnen und Pflegehelfer demnach mindestens 14,40 Euro pro Stunde bekommen. Haben sie eine mindestens einjährige Ausbildung absolviert, sollen es 15,25 Euro sein. Die Mindeststundenentgelte für examinierte Pflegefachkräfte steigen demnach auf 18,75 Euro.

Laut Verdi werden im Juni 2023 bei einer 39-Stunden-Woche mindestens folgende Monatsgehälter gezahlt: 2440 Euro für Pflegehelferinnen und Pflegehelfer sowie 2585 Euro für solche mit mindestens einjähriger Ausbildung und 3180 Euro für Pflegefachkräfte. "Der Tarifvertrag regelt Mindestbedingungen in der Altenpflege", betonte Verdi. "Bessere Regelungen bleiben davon unberührt und sind auch weiterhin möglich."

"Händeringend werden überall Beschäftigte für die Altenpflege gesucht; diese gewinnt und hält man nur mit guten Arbeitsbedingungen", erklärte Verdi-Vorstandsmitglied Sylvia Bühler. "Ein bundesweit geltender Tarifvertrag mit rechtlich verbindlichen Mindestbedingungen sichert das Lohnniveau nach unten ab und schützt letztendlich auch die Arbeitgeber vor einem ruinösen Wettbewerb."

Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz begrüßte die Einigung. "Eine Würde wahrende Pflege braucht anständige Löhne", erklärte Stiftungsvorstand Eugen Brysch. "Das ändert aber nichts an den oft schwierigen Arbeitsbedingungen." Dafür müssten die Arbeitgeber sorgen.

Brysch warnte ebenso wie die Linke davor, wegen der Tarifsteigerungen die Pflegebedürftigen nicht noch weiter finanziell zu belasten. Die bislang privat Versicherten sollten stärker an den finanziellen Lasten beteiligt werden, forderte die Linken-Pflegeexpertin Pia Zimmermann.

BVAP-Vorstandssprecher Gero Kettler nannte die Tarifeinigung ein "positives Signal für die gesamte Branche". Sie zeige, "dass die Arbeitgeber Verantwortung für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege übernehmen". Nun sei die Politik am Zug, die "Refinanzierung" sicherzustellen.

Der konkurrierende Arbeitgeberverband Pflege erklärte, der BVAP binde mit diesem Tarifvertrag weniger als drei Prozent der 28.000 Altenpflegeunternehmen in Deutschland. Und Verdi sei "in der Altenpflege so gut wie nicht existent". Deshalb werde der Verband beantragen, die Tarifunfähigkeit der Gewerkschaft in der Altenpflege festzustellen. Der Tarifvertrag mit der BVAP wäre dann nichtig.

Der jetzt ausgehandelte Tarifvertrag solle "mit freundlicher Amtshilfe" von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für allgemeinverbindlich erklärt werden, kritisierte der Arbeitgeberverband. Maßgeschneiderte Tarife nach Ort und Lage seien besser als ein "Einheitstarifvertrag".

by Ina FASSBENDER