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Taliban übernehmen nach US-Abzug die Kontrolle am Kabuler Flughafen

Islamisten feiern ihren "Sieg" - Westen will Flughafen weiter für Evakuierungen nutzen

Der "längste Krieg" der US-Geschichte ist beendet: Die USA haben ihren Truppenabzug aus Afghanistan abgeschlossen und damit nach 20 Jahren auch ihren verlustreichen Militäreinsatz am Hindukusch. Eine letzte US-Militärmaschine hob kurz vor Mitternacht afghanischer Zeit vom Flughafen der Hauptstadt ab, wenig später übernahmen die radikalislamischen Taliban die Kontrolle an dem Airport. Die Islamisten feierten auf der Landebahn ihren "Sieg", die Taliban-Spezialeinheit "Badri 313" marschierte demonstrativ auf.

"Glückwunsch an Afghanistan, dieser Sieg gehört uns allen", sagte Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid, als er auf der Landebahn des Flughafens stand. Nach dem Abzug der US-Truppen wollen die Taliban seinen Angaben zufolge "gute" Beziehungen zu den USA. "Wir begrüßen gute diplomatische Beziehungen mit allen", sagte er. Die Sicherheitskräfte der Taliban seien "sanftmütig und nett", betonte Mudschahid.

Auch in anderen Teilen des Landes feierten die Taliban und ihre Anhänger den endgültigen Abzug der ausländischen Truppen: In Kandahar, der Geburtsstätte der Taliban, strömten tausende Menschen auf die Straßen, schwenkten Fahnen und riefen "Gott ist groß". Auch China zeigte sich erfreut über den US-Abzug aus Kabul: "Afghanistan hat es geschafft, sich von der ausländischen Militärbesatzung zu befreien", sagte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Wang Wenbin.

US-Präsident Joe Biden dankte seinen Militärkommandeuren und den beteiligten Soldaten für den Einsatz. Sie hätten den "gefährlichen" Abzug "ohne weiteren Verlust amerikanischer Leben" zu Ende gebracht, erklärte Biden am Montag. Der Präsident würdigte auch die Evakuierungsmission: Die Soldaten hätten bei der "größten Luftbrücke der US-Geschichte" mit "Mut, Professionalität und Entschlossenheit" gehandelt. Am Abend (19:30 Uhr MESZ) will sich Biden erneut dazu äußern.

Die letzte US-Militärmaschine vom Typ C-17 hob genau eine Minute vor Mitternacht afghanischer Zeit ab. "Ich bin hier, um den Abschluss unseres Abzugs aus Afghanistan und das Ende der Militärmission zur Evakuierung von US-Bürgern, Staatsbürgern von Drittstaaten und gefährdeten Afghanen bekanntzugeben", sagte der Chef des Zentralkommandos der US-Streitkräfte, General Kenneth McKenzie.

An Bord der letzten Maschine war unter anderem der geschäftsführende US-Botschafter in Afghanistan, Ross Wilson. Ihre diplomatische Präsenz am Hindukusch setzten die USA bis auf Weiteres aus, die Botschaft wurde von Kabul nach Doha verlegt.

Bei ihrem Abzug machten die US-Truppen dutzende gepanzerte Fahrzeuge, Flugzeuge sowie das Raketenabwehrsystem C-RAM-System auf dem Flughafen von Kabul funktionsunfähig, damit diese nicht in die Hände der Taliban oder anderer islamistischer Gruppen fallen. 27 Humvees und 70 gepanzerte MRAP-Fahrzeuge seien unbrauchbar gemacht worden, sagte McKenzie. Ebenso seien 73 Flugzeuge, die sich bereits auf dem internationalen Flughafen Hamid Karzai befanden, von den US-Truppen "entmilitarisiert" oder funktionsunfähig gemacht worden.

Westliche Staaten wollen nun alles daran setzen, weitere afghanische Schutzbedürftige und eigene Staatsbürger aus Afghanistan zu bringen. Dazu würden Verhandlungen laufen, auch mit den Taliban, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am Dienstag in Islamabad. Auch eine Ausreise mit Charterflügen vom Kabuler Flughafen sei denkbar, wenn der Airport wieder genutzt werden könne: "Wir hoffen, dass das in einem überschaubaren Zeitraum der Fall ist".

Bei ihrer chaotischen Evakuierungsmission mussten die USA und ihre Verbündeten Zehntausende afghanische Ortskräfte und deren Angehörige zurücklassen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ging am Dienstag davon aus, dass allein bis zu 40.000 frühere Mitarbeiter deutscher Stellen und deren Angehörige auf ihre Ausreise warten.

Der Abzug der letzten US-Truppen markiert das Ende des 20-jährigen Militäreinsatzes der USA in Afghanistan. Die USA und ihre Nato-Partner waren nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in Afghanistan einmarschiert. In kurzer Zeit vertrieb das westliche Militärbündnis die damals herrschenden Taliban, die dem Terrornetzwerk Al-Kaida Unterschlupf gewährt hatten, von der Macht. Zur Ruhe kam Afghanistan aber nie, der blutige Konflikt zog sich über knapp zwei Jahrzehnte und gilt als "längster Krieg" in der US-Geschichte.

by Von David FOX