Wird ein Polizist bei einem Einsatz verletzt und erkrankt später psychisch, kann der Täter dafür haftbar gemacht werden. Das gilt trotz des berufsspezifischen Risikos von Einsatzkräften, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe laut Mitteilung vom Donnerstag entschied. Das Land Niedersachsen will Schadenersatz, weil der Beamte inzwischen dienstunfähig ist. (Az. VI ZR 19/20)
Im November 2015 wurde die Polizei in eine Cocktailbar gerufen, wo der damals 18 Jahre alte Beklagte sich mit anderen Gästen prügelte. Er weigerte sich zu gehen, woraufhin die Polizisten ihn in Gewahrsam nehmen wollten. Dagegen wehrte er sich und verletzte einen Beamten am Daumen. Dieser leidet nach Angaben des Landes deswegen an einer posttraumatischen Belastungsstörung und ist dienstunfähig.
Das Land verklagte den jungen Mann darum auf Schadenersatz von etwa 105.000 Euro für die Behandlungskosten und den Verdienstausfall des Polizisten. Das Landgericht Stade gab der Klage statt, das Oberlandesgericht (OLG) Celle wies sie in der Berufung aber überwiegend ab. Diese Abweisung hob der BGH nun auf.
Er wies die Bewertung des Berufungsgerichts zurück, dass sich in der Erkrankung des Polizisten "lediglich ein spezifisches Berufsrisiko verwirklicht" habe. Psychische Schäden könnten ebenso wie physische Verletzungen die Folgen eines Einsatzes sein, argumentierten die Karlsruher Richter.
"Auch wenn es zur Ausbildung und zum Beruf von Polizeibeamten gehört, sich auf derartige Belastungssituationen vorzubereiten, mit ihnen umzugehen, sie zu bewältigen und zu verarbeiten", heiße das nicht, dass ihnen bei einer psychischen Erkrankung der Schutz des Deliktrechts versagt bliebe. Die Sache muss nun vom OLG Celle neu verhandelt werden.
by INA FASSBENDER