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Studie: Kommunen drohen in kommenden Jahren Haushaltskrisen

Bertelsmann-Stiftung erwartet bis 2024 Minus von 23 Milliarden Euro

Den Kommunen in Deutschland drohen in den kommenden Jahren einer Studie zufolge neue Haushaltskrisen. Städte, Gemeinden und Kreise werden in den Jahren 2021 bis 2024 voraussichtlich Defizite im Gesamtumfang von 23 Milliarden Euro aufbauen, wie der am Dienstag in Gütersloh veröffentlichte Kommunale Finanzreport der Bertelsmann-Stiftung ergab. Die Haushaltslöcher drohen demnach wegen steigender Ausgaben und geringerer Steuereinnahmen.

"Ohne neue Finanzhilfen wie Erstattungen von Steuerausfällen und Aufstockung der Investitionsprogramme drohen neue Haushaltskrisen", erklärte die Kommunalexpertin der Bertelsmann-Stiftung, Kirsten Witte. Die Erfolge der vergangenen Jahre wären so schlagartig aufgezehrt und Zukunftsaufgaben deutlich erschwert.

Der Präsident des Deutschen Städtetags und Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) forderte, Bund und Länder müssten für die Jahre 2021 und 2022 noch einmal die Gewerbesteuerausfälle der Kommunen ausgleichen. "Das hat im vergangenen Jahr gut geholfen und die Investitionskraft der Kommunen gestärkt", erklärte er. Ohne Hilfen würden wichtige Investitionen in Schulen, Kitas, in den Verkehr und Klimaschutz drastisch gekürzt werden müssen.

Ohne die massive Unterstützung des Bundes und der Bundesländer mit Hilfsprogrammen hätten die Kommunen im vergangenen Jahr das größte Defizit in ihrer Geschichte aufgebaut, hieß es in der Studie. Durch diese Hilfen stehe für das Jahr 2020 nun aber sogar das sechste Mal in Folge ein Überschuss.

Die Bertelsmann-Stiftung schätzte den finanziellen Schaden der Coronakrise für die Kommunen auf mindestens 17 Milliarden Euro, allein die Gewerbesteuer sei in den 13 Flächenländern um fast neun Milliarden Euro eingebrochen. Der Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer sowie bei den Gebühren habe Verluste von weiteren vier Milliarden Euro gebracht.

Besonders betroffen von Steuerverlusten seien die Kommunen in wirtschaftsstarken Regionen gewesen. In Bayern und Baden-Württemberg sei das kommunale Steueraufkommen jeweils um mehr als anderthalb Milliarden Euro gesunken. Dies sei jeweils deutlich mehr gewesen in allen fünf ostdeutschen Bundesländern zusammen.

Mit Hilfe der Unterstützung von Bund und Ländern hätten die Kommunen aber im Jahr 2020 ihre Investitionen nahezu wie geplant umsetzen können. So seien die kommunalen Investitionsausgaben innerhalb eines Jahres in den 13 Flächenländern um zwölfeinhalb Prozent auf ein Rekordhoch von 50 Milliarden Euro gestiegen. Auch hier gebe es starke regionale Unterschiede - je Einwohner investierten die bayerischen Kommunen dreimal mehr als jene im Saarland.

Die kommunalen Kassenkredite nahmen trotz der Corona-Pandemie auch im vergangenen Jahr ab. Ende 2020 lag das Kreditvolumen demnach bei 31 Milliarden Euro, ein Drittel unter dem Höchststand von 2015. Dieser positive Trend sei in allen Bundesländern zu beobachten. Hohe Kassenkredite haben weiterhin vor allem Kommunen in Nordrhein-Westfalen, in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Elf nordrhein-westfälische Städte verzeichnen demnach ein Drittel des bundesweiten Kreditvolumens.

Der Vizechef der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Dürr, sieht die starken Schwankungen der Gewerbesteuer als Grund, weshalb die kommunalen Finanzen auf wackligen Beinen stehen. Deshalb sei die FDP dafür, die Gewerbesteuer abzuschaffen und durch kommunale Zuschläge auf die Körperschaftssteuer und eine zuvor gesenkte Einkommenssteuer zu ersetzen. Außerdem müssten die Kommunen einen höheren Anteil der Umsatzsteuer bekommen, forderte Dürr.

Die Grünen unterstützten die Forderung des Städtetags nach einem neuerlichen Ausgleich der Steuerausfälle. "Unsere Städte und Gemeinden sollen lebenswert bleiben", erklärte Stefan Schmidt, Sprecher für Kommunalfinanzen der Grünen im Bundestag.

Die Bertelsmann-Stiftung veröffentlicht alle zwei Jahre auf Grundlage der amtlichen Finanzstatistiken den Kommunalen Finanzreport.

by MIGUEL MEDINA