Robert Habeck (54) hat den innerparteilichen Wettstreit um die Kanzlerkandidatur bei den Grünen eröffnet und geht dabei mit einer auffälligen öffentlichen Präsenz voran. Aber, er hat die Rechnung ohne Baerbock gemacht - der interne Machtkampf tobt - beide wollen Kanzler werden, zerreißt es die Grünen?!
Habeck setzt bewusst seine Stärken ein. Als Philosoph spricht er in poetischeren Worten als viele andere Politiker und zeigt, was Kanzler Olaf Scholz (65, SPD) schwerfällt: Gefühle zu erklären, Zweifel zu zeigen und sich offen zu äußern. Nicht nur in Videos, sondern auch gegenüber Wirtschaftsverbänden präsentiert sich Habeck als freundlichere Alternative zum Kanzler. Wirtschaftsführer sind unzufrieden mit Scholz, sie beklagen, dass er ihre Warnungen nicht ernst nimmt, und loben Habeck als aufmerksamen Zuhörer. Habeck möchte zeigen, dass er das große Ganze im Blick hat. Er tritt momentan eher als potenzieller Vizekanzler denn als Fachminister mit kleinteiligen wirtschaftlichen Verordnungen auf. Seine Reisen als Repräsentant Deutschlands führen ihn um die Welt, zuletzt in die USA, nach Saudi-Arabien und Israel. Ein Insider der Grünen sagte gegenüber BILD: "Habeck macht bei jeder Gelegenheit deutlich, dass er unbedingt Kanzlerkandidat werden will. Auch innerhalb der Partei lässt er keinen Zweifel daran, dass er das Kanzleramt holen kann und Olaf Scholz sowie Friedrich Merz schlagen will. Nach dem enttäuschenden Wahlkampf von Annalena denkt Robert, dass er an der Reihe ist." Mit Annalena ist die Außenministerin Baerbock (43) gemeint.
Das Problem ist, dass Baerbock nicht signalisiert hat, zugunsten von Robert zu verzichten. Zudem hat sie starke Unterstützer, angeführt von Fraktionschefin Britta Haßelmann (62). Viele Abgeordnete sind der Ansicht, dass Baerbock die bessere Arbeit leistet. Allerdings hat auch Habeck prominente Unterstützer wie Parteichef Omid Nouripour (48) oder den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann (75). Wenn sowohl Baerbock als auch Habeck antreten wollen, wird es zu einer Mitgliederabstimmung kommen. Bereits jetzt wird an Kommunikationsstrategien dafür gearbeitet, um zu verdeutlichen: Beim letzten Mal haben wir die Entscheidung intern getroffen, das war ein Fehler, nun liegt die Wahl bei euch. Man hofft, dass eine solche Abstimmung die Parteimitglieder mobilisiert und die Aufmerksamkeit auf die Grünen lenkt.
Es gibt jedoch Bedenken, dass ein Wettstreit zwischen Habeck und Baerbock nicht vorteilhaft ist. Die Frage ist, wer zwischen ihnen vermitteln und sie möglicherweise überzeugen kann, auf eine Kandidatur zu verzichten. Nach Einschätzung eines wichtigen Mitglieds ist dies nur Cem Özdemir (58) zuzutrauen. Als Bundeslandwirtschaftsminister und zukünftiger Ministerpräsidentenkandidat in Baden-Württemberg ist Özdemir eigentlich ein Unterstützer von Habeck. Doch auch zu Baerbock pflegt er aufgrund ihrer Zusammenarbeit ein gutes Verhältnis. Ein Vermittler mit Zugang zu beiden Lagern ist bei den Grünen selten. Ob es letztendlich zu einem Wettbewerb zwischen Habeck und Baerbock kommt oder nicht, soll spätestens bis zum Jahresende feststehen, wer die Grünen als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf führen wird.