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Stimmen gegen Privilegien für Geimpfte mehren sich

Gesundheitsminister Spahn mahnt zur gegenseitigen Rücksicht

In der Bundesregierung mehren sich die Warnungen vor Privilegien für Menschen mit Corona-Impfung. "Gegen die Pandemie kämpfen wir gemeinsam - und wir werden sie nur gemeinsam überwinden", sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Montag. Eine beschleunigte Herstellung des Impfstoffs etwa durch Lizenzproduktion bewertete Spahn zurückhaltend.

Spahn sagte den Funke-Zeitungen: "Viele warten solidarisch, damit einige als erste geimpft werden können. Und die Noch-Nicht-Geimpften erwarten umgekehrt, dass sich die Geimpften solidarisch gedulden." Es sei diese gegenseitige Rücksicht, die das Land zusammenhalte.

Vizeregierungssprecherin Ulrike Demmer verwies darauf, dass bislang unklar sei, inwieweit die Impfung auch die Weitergabe des Coronavirus unterbindet. Deshalb sei die Debatte über einen Immunitätsnachweis "rein hypothetisch". Zuvor hatte sich schon Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gegen Privilegien für Geimpfte ausgesprochen.

Spahn warnte vor zu hohen Erwartungen an das Tempo bei der Impfstoff-Produktion. Er wundere sich über den Eindruck, dass die Produktion in drei oder vier Wochen "beliebig hochgefahren" werden könne, sagte er im ZDF-"Morgenmagazin". Diese sei so ziemlich das Komplexeste und Anspruchsvollste im Bereich der Arzneimittel. Er werde aber zusammen mit Biontech daran gearbeitet, dass im Februar oder März im hessischen Marburg zusätzlich produziert werden könne.

Zuvor hatte FDP-Chef Christian Lindner eine "Krisenproduktion" des Impfstoffs verlangt. Es müssten alle rechtlichen, wirtschaftlichen, politischen und technologischen Voraussetzungen geschaffen werden, damit schneller geimpft werden könne, sagte er im Internetprogramm der "Bild"-Zeitung.

Der Gesundheitsexperte der Linken, Achim Kessler, hatte im "Wir" hervorgehoben, dass das Bundesgesundheitsministerium laut dem Bevölkerungsschutzgesetz Unternehmen dazu zwingen könne, anderen Firmen eine Lizenz zum Nachproduzieren von Impfstoffen zu gewähren.

Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) äußerte die Hoffnung, dass der Start der Impfungen die Krankenhäuser entlasten werde und auch die Todeszahlen bald zurückgingen. Die Pandemie werde aber erst zu Ende gehen, wenn ein großer Teil der Bevölkerung geimpft sei, sagte er in Gießen. Dort impfte der Kanzleramtschef, der auch Arzt ist, Mitarbeiter des Universtätsklinikums.

Spahn zeigte sich zufrieden mit dem bundesweiten Beginn der Impfungen. "Das war ein guter Start", sagte er im ZDF-"Morgenmagazin". Am Wochenende hatten in Deutschland und in den übrigen EU-Staaten die ersten Menschen den Impfstoff der Unternehmen Biontech und Pfizer bekommen. Es erhielten vorwiegend ältere und pflegebedürftige Menschen die ersten Impf-Spritzen.

Das Robert-Koch-Institut lässt die Daten zur Impfung elektronisch erfassen. Autorisiertes Personal der Impfzentren und Impfteams könnten über die Webanwendung "Digitales Impfquotenmonitoring" die Daten eingeben und über eine gesicherte Internetverbindung täglich an die Bundesdruckerei übermitteln, wo im Auftrag des RKI die Daten zwischengespeichert und täglich abgerufen werden. Bis Sonntag wurden 18.454 Impfungen erfasst, dabei fehlten aber die Angaben aus Hessen.

by LENNART PREISS