194130:

Steinmeier nennt Vorbehalte gegen Astrazeneca-Impfstoff "ziemliches Luxusproblem"

Bundespräsident wirbt um Vertrauen in alle zugelassenen Corona-Impfstoffe

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bei den Bundesbürgern um Vertrauen in alle zugelassenen Corona-Impfstoffe geworben. Er habe "nur wenig Verständnis für die Zurückhaltung gegenüber dem einen oder dem anderen Impfstoff", sagte Steinmeier am Donnerstag angesichts der Skepsis gegenüber dem Impfstoff von Astrazeneca. Das sei "ein ziemliches Luxusproblem." Derweil bekräftigte die FDP ihre Forderung nach mehr Rechten für Geimpfte.

Alle zugelassenen Impfstoffe "verdienen unser Vertrauen", sagte der Bundespräsident in einem digitalen Bürgergespräch zum Thema Impfen. Die wissenschaftlichen Studien zeigten, dass alle von der Europäischen Arzneimittel-Agentur genehmigten Impfstoffe wirksam und verträglich seien. Steinmeier verwies auf diejenigen, die noch immer auf eine Impfung warteten, oder auf Menschen in Ländern, in denen noch lange keine Aussicht darauf bestehe.

Deutschland befinde sich nach einem Jahr Corona-Pandemie in einer entscheidenden Phase, sagte Steinmeier in dem Gespräch mit vier Bürgerinnen und Bürgern aus Bayern, die im Gesundheits- und Pflegebereich arbeiten. Der lange Winter habe den Menschen schwer zugesetzt. Zugleich habe er aber auch eine Wende gebracht, betonte Steinmeier mit Blick auf den Start der Impfungen.

Zwei Monate nach dem Impfbeginn in Deutschland gebe es Unzufriedenheit. "Der Start der Impfkampagne war sicherlich nicht perfekt", räumte der Bundespräsident ein. Dabei solle aber nicht vergessen werden: "Die Impfungen selbst werden die Wende im Kampf gegen das Virus bringen." Jede einzelne Impfung verhindere neue Infektionen und schütze Menschenleben. "Schneller impfen" sei das Gebot der Stunde.

Steinmeier ermutigte alle Bürgerinnen und Bürger: "Nehmen Sie Ihr Impfangebot wahr, wenn Sie an der Reihe sind. Schützen Sie sich selbst und andere!"

Nach einem schleppenden Start beschleunigt sich das Impftempo derzeit. Es gibt bei manchen Bürgern aber anhaltende Skepsis insbesondere gegen den Corona-Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers Astrazeneca, aber auch generell gegen Impfungen.

An dem Gespräch des Bundespräsidenten nahmen eine Altenpflegerin, ein Krankenpfleger, eine Krankenhausärztin und der Leiter eines Impfzentrums teil. Der ärztliche Leiter des Impfzentrums Fürth, Michael Hubmann, berichtete über eine sehr hohe Impfbereitschaft bei über 80-Jährigen. Zu den Vorbehalten gegenüber Astrazeneca sagte er, der Start des Impfstoffs sei "kommunikativ problematisch" gewesen. Hubmann verwies auf die guten Daten des Vakzins zur Verhinderung schwerer Verläufe und Ansteckungen.

Die medizinische Direktorin der Kliniken Nordoberpfalz, Michaela Hutzler, sagte, es sei deutlich spürbar, dass im Zuge des Impfens in den Pflegeheimen seit Mitte Januar weniger Pflegebedürftige in die Kliniken kämen. Die Impfbereitschaft unter den Beschäftigten sei extrem hoch, was auch mit den Corona-Hotspots in der Region zusammenhänge.

Mit dem Regionalgespräch knüpfte Steinmeier an seinen Austausch mit in der Pandemie besonders engagierten Bürgerinnen und Bürgern an.

FDP-Generalsekretär Volker Wissing kritisierte derweil, dass es vorerst keinen Lockerungen für Geimpfte geben solle. "In dem Moment, in dem ich geimpft bin und wirklich klar ist, dass ich danach nicht mehr infektiös bin, gibt es keinen Grund mehr, meine Freiheitsrechte einzuschränken", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Donnerstag.

Der Deutsche Beamtenbund (dbb) warnte angesichts der Diskussion um die Impfreihenfolge vor gesellschaftlicher Spaltung. Bei der Reihenfolge müssten vulnerable Gruppen, Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen an erster Stelle stehen, erklärte der Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach. Der Staat solle zudem "sobald als möglich" Beschäftigte mit systemrelevanten Aufgaben immunisieren, fügte Silberbach mit Blick auf den Bildungsbereich oder Polizei und Feuerwehr hinzu.

by Ronny Hartmann