Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat das AfD-Umfragehoch als "beunruhigend" bezeichnet. Zugleich warnte er die etablierten Parteien vor gegenseitigen Schuldzuweisungen. "Damit greifen wir zu kurz", sagte Steinmeier am Sonntag im ZDF-"Sommerinterview". Wenn sich größere Teile der Wählerschaft von den regierenden Parteien abwenden und die Union als größte Oppositionspartei davon nicht profitiert, "dann ist etwas im Gange, was Fragen aufwirft".
Viele Menschen hätten das Bedürfnis nach Antworten, etwa darauf, was aus dem Arbeitsplatz wird, wie sich die Inflation entwickelt, ob wir uns im Ukraine-Krieg richtig positionieren oder mit Blick auf die Flüchtlingsbewegung an Europas Grenzen.
Die regierenden Parteien müssten sich fragen, ob sie die richtigen Themen hätten, ob Themen ausgelassen werden, ob die richtige Art der Kommunikation gewählt wird und ob es zu viel Streit gebe, sagte Steinmeier weiter.
Es gehe darum, wieder zu lernen, "demokratischen Streit miteinander zu führen, ohne in Hass und Hetze auszubrechen", sagte der Bundespräsident. "Wir dürfen das Geschäft der Angstmacher in dieser Gesellschaft nicht noch weiter fördern", betonte er. Gebraucht würden "Problemlöser".
"Wir sind eine Gesellschaft im Stress", sagte Steinmeier und verwies auf die Krisen der vergangenen Jahre. Als die Corona-Pandemie noch nicht ganz überwunden war, habe der Krieg Russlands gegen die Ukraine begonnen. "Das sind außergewöhnliche Situationen, da muss man Verständnis haben, dass die Menschen Fragen haben, verunsichert sind."
Er bitte aber auch um Verständnis für diejenigen, die in solchen Situationen die Verantwortung hätten, nicht nur im Bund, sondern auch vor Ort in der Kommunalpolitik.
An die Adresse derjenigen, die sich der AfD zuwenden, sagte Steinmeier, jeder Wähler und jede Wählerin "übernimmt Verantwortung für das, was sie tut". Wenn jemand eine Partei stärke, "die zur Verrohung der Auseinandersetzung beiträgt, ist das auch die Verantwortung eines mündigen Bürgers".
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