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Spitzenpolitiker warnen vor neuen Grenzschließungen vor EU-Corona-Gipfel

Grünen-Politikerin Brantner und Kanzleramtschef Braun äußern Bedenken

Vor dem Corona-Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag haben sich mehrere Politiker gegen neue Grenzschließungen und Grenzkontrollen wegen der Corona-Pandemie ausgesprochen. "Die EU-Staaten drohen im Kampf gegen Covid wieder in nationales Kleinklein zu verfallen", sagte die europapolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Franziska Brantner, der Nachrichtenagentur AFP. Auch EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) und Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) warnten vor nationaler Abschottung.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse sich beim Gipfeltreffen mit ihren EU-Kollegen für europäische Lösungen einsetzen, sagte Brantner. Wichtig seien etwa gemeinsame Regeln fürs Reisen basierend auf Teststrategien. "Grenzkontrollen sind keine Lösung, sondern erschweren nur die Situation in den Grenzgebieten", betonte die Grünen-Politikerin. Auch die Produktionsengpässe bei Corona-Impfstoffen sollten die EU-Länder gemeinsam angehen, "um die angepeilte Impfquote von 70 Prozent bis zum Sommer auch nur annähernd zu erreichen".

Frankreich hatte am Mittwoch gefordert, "Gesundheitskontrollen" an den Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten einzuführen. Besondere Besorgnis lösen derzeit mutierte Coronaviren aus, die sich schneller verbreiten als der bisherige Erreger. Auch Bundeskanzlerin Merkel hatte vor diesem Hintergrund am Dienstag nach den Bund-Länder-Beratungen zur Pandemie Grenzschließungen nicht ausgeschlossen.

Der Fraktionschef der konservativen EVP im EU-Parlament, Weber, warnte vor den wirtschaftlichen Schäden durch Grenzschließungen innerhalb der EU. "Für die deutsche Industrie und den Handel würden Grenzschließungen große Einbußen bedeuten. Zudem würde das Gesundheitswesen in den Grenzräumen vor enorme Herausforderungen gestellt", sagte der CSU-Politiker der "Rheinischen Post". Das müsse unbedingt vermieden werden.

"Auch Grenzkontrollen würden den freien Warenverkehr behindern und gerade für Arbeitspendler zu Einschränkungen führen", sagte Weber. Die Staats- und Regierungschefs müssten beim EU-Gipfel "dringend zu gemeinsamen Lösungen kommen".

Ähnlich äußerte sich Kanzleramtschef Braun. Grenzschließungen in Europa wären "im Ergebnis der schlechte Weg", sagte Braun der Deutschen Welle. "Deshalb ist es ganz wichtig, dass im Europäischen Rat Vorsorge getroffen wird. Dass wir jetzt alle gemeinsam die Mutation möglichst stark unterdrücken." Braun rief die EU-Länder auf, "synchron" zu handeln.

Merkel und ihre EU-Kollegen beraten am Donnerstagabend per Video über den weiteren Kurs. Im Zentrum steht die Eindämmung der neuen Corona-Varianten. Dazu gehört eine systematische Gen-Analyse von Corona-Proben auf mutierte Viren. Im Gespräch sind auch Listen zu Gebieten, wo die Mutationen auftreten. Sie könnten Grundlage für verschärfte Reisebestimmungen sein.

Am Mittwoch verständigten sich die Mitgliedstaaten bereits auf die gegenseitige Anerkennung der Ergebnisse von Antigentests. Die EU-Kommission plädiert dafür, diese Schnelltests zum großflächigen Testen von Reisenden einzusetzen. Darüber hinaus ziehen die Staats- und Regierungschefs eine Zwischenbilanz der seit Ende Dezember laufenden Impfkampagnen.

by JUSTIN TALLIS