Die SPD setzt auf einen menschlichen Umgang mit Geflüchteten, will aber Migration ordnen und steuern. Der Parteitag der Sozialdemokraten in Berlin verabschiedete hierzu am Samstagabend mit großer Mehrheit einen Beschluss. Darin bekennt sich die Partei auch zu Abschiebungen, wenn kein Bleiberecht besteht. Die Einwanderungsgesellschaft in Deutschland will die SPD stärken, denn Vielfalt sei "ein Gewinn für unser Land".
"Es war ein wichtiger Schritt, dass sich nach jahrelangem Streit die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf eine Position für ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem geeinigt haben", stellt sich die SPD hinter die diesbezüglichen Pläne auf europäischer Ebene. Alleinreisende Minderjährige und weitere verletzliche Gruppen wie Familien mit Kindern müssten aber von dem dabei vorgesehenen Asylverfahren an den EU-Außengrenzen ausgenommen werden.
Ausdrücklich unterstützt wird die zivile Seenotrettung im Mittelmeer. "Das Sterben im Mittelmeer muss aufhören", wird in dem Beschluss gefordert. Zivile Seenotrettung dürfe "auch nicht kriminalisiert werden und wird weiter von uns unterstützt", stellt die SPD weiter klar.
Den Familiennachzug zu Menschen mit dem eingeschränkten sogenannten subsidiären Schutzstatus wollen die Sozialdemokraten wieder ermöglichen. Humanitäre Visa und spezielle Aufnahmeprogramme aus humanitären Gründen soll es weiterhin geben. Obergrenzen für die Aufnahme von Flüchtlingen erteilt die SPD erneut eine Absage.
"Ist allerdings nach allen Verfahren kein feststellbarer Fluchtgrund oder anderer Bleibegrund nachweisbar, so gehört es zu einem rechtsstaatlichen Verfahren dazu, durchzusetzen, dass die betreffende Person das Land wieder verlässt", heißt es in dem Beschluss. "Das ist auch notwendig, um eine hohe Akzeptanz für das Recht auf Asyl in der Bevölkerung sicherzustellen."
Eine freiwillige Ausreise soll dann aber Vorrang vor zwangsweisen Abschiebungen haben. Eine Inhaftierung abgelehnter Asylbewerberinnen und Asylbewerbern soll "immer nur Ultima Ratio sein" dürfen.
Die Notwendigkeit der Einwanderung von Fach- und Arbeitskräften wird betont. "Wir gehen offensiv in die Konkurrenz mit anderen Volkswirtschaften um kluge Köpfe und versierte Hände", heißt es in dem Text. Dafür sei ein "modernes und weltoffenes Einwanderungsrecht geschaffen" worden.
Auch für Geflüchtete soll die Arbeitsaufnahme leichter werden. Unter bestimmten Voraussetzungen soll es auch für abgelehnte Asylbewerber die Möglichkeit des sogenannten Spurwechsels in die Arbeitsmigration geben.
Menschen, die mit einer Einwanderungsgeschichte in Deutschland leben, will die SPD "die umfassende Teilhabe an unserer Gesellschaft" garantieren, "ohne Ressentiments und Rassismen" und mit "gleichen Chancen für alle Menschen". Integration soll besser und schneller gelingen. "Vielfalt ist Stärke", heißt es weiter.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert rief zu einer sachlichen Debatte in der Gesellschaft zum Thema Migration auf und warnte vor populistischer Stimmungsmache. "Wir müssen dafür sorgen, dass diese Debatten nicht entgleiten", mahnte er.
Kühnert wies darauf hin, dass 25 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen eine Einwanderungsgeschichte haben. Viele dieser Menschen seien "tief verunsichert durch Debatten, die nicht nur Rechtsradikale, sondern auch Konservative führen".
Wiederholt heftig kritisiert wurde von Delegierten die Interview-Äußerung von Bundeskanzler Olaf Scholz, man müsse bei fehlender Bleibeberechtigung "endlich im großen Stil abschieben". Der Kanzler wiederholte diese Äußerung in seiner Rede nun nicht und bekannte sich uneingeschränkt zum individuellen Recht auf Asyl.
Forderungen gab es in der Debatte auch nach Abschaffung der EU-Grenzschutzagentur Frontex, der illegale Zurückweisungen von Geflüchteten vorgeworfen werden. Eine Mehrheit gab es dafür aber nicht.
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