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SPD-Politiker zeltet auf Berliner Campingplatz

Tagsüber Politik, abends im Zelt

Der SPD-Abgeordnete Johannes Fechner (50), Anwalt aus Emmendingen (Baden-Württemberg), hat ein ganz besonderes Zuhause: In Sitzungswochen des Bundestags schläft er auf einem Berliner Campingplatz.

Günstige Übernachtungsmöglichkeit für Politiker

Für seinen Zeltplatz zahlt der Abgeordnete, der mehr als 10.000 Euro pro Monat verdient, 72 Euro. Pro Woche! BILD traf Fechner zum Feierabend-Bier vor dem Zelt. Warum er hier übernachtet? „Weil’s entspannt ist. Direkt am Wasser, an der frischen Luft. Ich schlafe hier tiefer, es tut gut, aus der Regierungsviertel-Blase raus und ins Grüne zu kommen.“

Schneller Zeltaufbau und einfache Ausstattung

Zwei Minuten braucht Fechner, um sein Wurfzelt aufzubauen. Lange Heringe und den Gummihammer transportiert er in einem der grauen Stoffbeutel, die es im Reichstagsgebäude geschenkt gibt. Kofferpacken im Abgeordnetenbüro. Hier lagert Fechner seine Anzüge, Hemden und Krawatten. Nur vor sehr frühen Terminen schlüpft er schon auf dem Campingplatz in den Anzug – der hängt die Nacht über an einer Schlaufe im Zelt.

Keine Wohnung nötig

Seit 2013 sitzt Fechner im Parlament, seit 2019 wohnt er während der Sitzungswochen auf dem Campingplatz. „Ich schlafe nur 80 Nächte im Jahr hier, da brauche ich keine Wohnung, die jemand anderes nötiger hat.“

Erlebnisse und Atmosphäre auf dem Campingplatz

Das wildeste, was er beim Campen erlebt hat? „Ein Fuchs hat direkt neben dem Zelt eine Ente getötet nachts um zwei, da war das Geschrei groß.“ Und: Beim Sturm vor zwei Wochen sei ein Ast aufs Zelt gefallen. Ansonsten gebe es nur „natürliche“ Störgeräusche, so Fechner: „Dieses Jahr habe ich ziemlich viele Schnarch-Kollegen, so ist es halt auf dem Campingplatz.“

Urlaubsfeeling und Politikgespräche

Der SPD-Politiker zeltete schon als Kind. In den Ferien campt er mit Frau und Kindern: „Ich habe das Urlaubsfeeling mit nach Berlin genommen.“ Die Atmosphäre auf dem Campingplatz? Fast wie in der SPD: Jeder duzt sich. Es erde ihn, morgens in der Schlange vor der Dusche die Gespräche zu hören, so Fechner. Da gehe es auch schon mal um die Politik der Ampel, u.a. den Heiz-Hammer.

Interaktion mit "normalen Leuten"

Fechner: „Das Heizen war natürlich ein großes Thema, das hat die Leute beschäftigt. Und auch Hotel-Preise, und dass sie sehr hoch wären in Berlin.“ Manchmal versucht Fechner dann, die Ampel-Politik zu erklären: „Ich diskutiere schon mit, aber sage in der Regel nicht, dass ich im Bundestag arbeite. Das würde eh' keiner glauben.“ Er findet: „Es ist schon interessant, sich mit normalen Leuten zu unterhalten und nicht nur in der manchmal ein wenig abgehobenen Regierungsviertel-Blase zu sein.“

Arbeitsalltag und Vorausplanung

Nach dem Duschen geht es meist in Freizeitkleidung in den Reichstag – die anthrazitfarbenen Anzüge, weißen Hemden und roten Krawatten, für die Fechner bekannt ist, hängen in seinem Abgeordnetenbüro. Auf dem Weg zur Bahn holt er sich Laugengebäck, ist dann bis spätabends unterwegs. Darum buche er am Camping-Kassenhäuschen (8 - 20 Uhr, nimmt nur Bargeld) auch lange im Voraus. Das Wichtigste: die grüne Banderole am Zelt, die zeigt, dass man bezahlt hat – denn auf dem Platz muss alles seine Ordnung haben.

Gelassenheit der Camper

Und was sagen die Nachbarn, wenn er mal mit dem Taxi oder einer schwarzen Bundestagslimousine ankommt? Fechner: „Klar gucken die Leute, wenn ein Anzugträger vorfährt. Aber Camper sind verrückte Geschichten gewohnt, die wundern sich nicht lange.“

Winterquartier und Alternativen

Im Winter zieht Fechner – kein Scherz – in den Strand-Club. Dort bewohnt er dann eine beheizte Blockhütte, „vier Quadratmeter, ein Bett“. Oder er geht in „ein einfaches“ Hotel.