Nach der Festnahme des ehemaligen katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont in Italien hat Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez für eine Fortsetzung des Dialogs zwischen Madrid und Barcelona geworben. "Heute ist es wichtiger denn je, den Dialog einzufordern", erklärte Sánchez am Freitag. Er verlangte aber auch, dass sich Puigdemont, der zunächst unter Auflagen wieder freikommen sollte, "der Justiz stellen" müsse.
Puigdemont war am Donnerstag bei seiner Ankunft auf der italienischen Mittelmeerinsel Sardinien festgenommen worden. Nach Angaben seines Stabschefs Josep Alay wollte der 58-Jährige an einem Kulturfestival in der Stadt Alghero teilnehmen und mit gewählten Vertretern der Insel sprechen. Dem katalanischen Ex-Regionalpräsidenten, der sich ins Exil geflüchtet hatte, soll wegen seiner führenden Rolle beim gescheiterten Abspaltungsversuch Kataloniens im Jahr 2017 in Spanien der Prozess gemacht werden.
Nach einer Anhörung, der Puigdemont per Video zugeschaltet wurde, entschied das Berufungsgericht im sardischen Sassari die Freilassung des Politikers unter Auflagen. Bis zur Gerichtsentscheidung über einen Auslieferungsantrag Spaniens dürfe Puigdemont Sardinien nicht verlassen, sagte sein Anwalt Agostinangelo Marras. Dies könne "Wochen" dauern. Er erwartete die Freilassung seines Mandanten noch im Laufe des Tages. Puigdemont teilte auf seinem Konto im Messengerdienst Telegram mit, er solle am Samstag erneut angehört werden.
Der spanische Ministerpräsident Sánchez betonte bei einem Besuch auf der Kanareninsel La Palma, der Dialog mit den Katalanen sei "der einzige Weg, um wieder zueinander finden zu können". Doch hob Sánchez auch hervor: "Was Carles Puigdemont machen muss, ist vor der Justiz erscheinen und sich ihr stellen."
Sánchez' eher versöhnliche Worte dürften darauf zurückzuführen sein, dass erst in der vergangenen Woche Verhandlungen zwischen Madrid und der katalanischen Regionalregierung in Barcelona wieder aufgenommen worden waren. Zuvor waren Madrid und Barcelona lange so verfeindet, dass gar kein Dialog mehr zustande kam.
Kataloniens amtierender Regierungschef Pere Aragonès verlangte die "sofortige Freilassung" Puigdemonts in Italien. Er wolle nach Sardinien reisen, um diesem beizustehen. In Barcelona protestierten hunderte Katalanen vor dem italienischen Konsulat gegen die Festnahme von Puigdemont.
Puigdemont war der führende Kopf bei der Ausrufung der katalanischen Unabhängigkeit 2017. Nach seiner Absetzung durch die Zentralregierung in Madrid musste er im Oktober 2017 nach Belgien ins Exil gehen, um der Strafverfolgung in Spanien zu entgehen.
2018 war er auf Ersuchen Spaniens bereits einmal in Deutschland verhaftet worden. Er wurde jedoch einige Tage später freigelassen, da die deutsche Justiz den damaligen Vorwurf der "Rebellion" nicht als Auslieferungsgrund anerkannte. 2019 wurde er ins EU-Parlament gewählt, seine Immunität aber später vom Parlament aufgehoben.
Zwar wurden die in Katalonien verbliebenen Mitstreiter Puigdemonts 2019 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, Ende Juni diesen Jahres jedoch von der Regierung des Sozialisten Sánchez begnadigt. Puigdemont fiel nicht darunter. Ihm will die spanische Justiz immer noch den Prozess wegen "Aufruhrs" und Veruntreuung öffentlicher Gelder machen.
by Von Gaël Branchereau und Mathieu Gorse