Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will ohne Einbindung der EU mit Russland über eine Belieferung mit dem Impfstoff Sputnik V verhandeln. Deutschland werde sich auf bilateralem Weg um den Impfstoff bemühen, nachdem die EU-Kommission am Mittwochabend bei Beratungen der EU-Gesundheitsminister angekündigt habe, ihrerseits keine Verträge über Lieferungen aus Russland abschließen zu wollen, sagte Spahn am Donnerstag dem WDR. Deswegen werde Deutschland nun Gespräche im Alleingang führen.
Bislang hatte die Bundesregierung die Impfstoffbeschaffung der EU überlassen. Allerdings sei es nun zunächst an Russland, zwei offene Fragen zu klären, betonte Spahn. Zum einen müsse Russland der EU-Arzneimittelbehörde (EMA) weitere Daten liefern, damit die Behörde über die Zulassung von Sputnik V in der EU entscheiden könne. Ohne eine solche EU-weite Zulassung könne der Impfstoff in Deutschland nicht verwendet werden.
Zum anderen erwarte er von Russland "eine verbindliche Aussage, wann welche Menge konkret nach einer Zulassung auch Deutschland erreichen könnte", sagte der Minister. "Um wirklich einen Unterschied zu machen in unserer aktuellen Lage, müsste die Lieferung schon in den nächsten zwei bis vier, fünf Monaten kommen - ansonsten haben wir so oder so mehr als genug Impfstoff."
Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, bezeichnete es mit Blick auf Sputnik V als "prinzipiell gut, sich Impfstoff zu sichern". Er wisse nicht, welche Daten zu Sputnik V der EMA vorlägen, sagte Mertens im ZDF. Er selbst kenne nur die im Fachmagazin "Lancet" publizierten Daten. "Die sehen sehr gut aus." Würde Sputnik V in Europa geprüft und zugelassen, hätte er gegen den Impfstoff nichts einzuwenden.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte bereits am Mittwoch angekündigt, für den Freistaat 2,5 Millionen Dosen des russischen Corona-Impfstoffs zu bestellen. Sollte Sputnik zugelassen werden in Europa, würde Bayern im Juli die Lieferungen erhalten, sagte Söder.
Die bayerische Landesregierung habe mit der beauftragten Institution der russischen Regierung für den Vertrieb des Impfstoffs eine Absichtserklärung abgeschlossen, sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). Der Impfstoff solle in Illertissen produziert werden.
Die EU-Arzneimittelbehörde (EMA) prüft seit Anfang März eine Zulassung von Sputnik V in Europa. Bei der sogenannten Rolling Review werden erste Ergebnisse wissenschaftlicher und klinischer Tests nach und nach analysiert, bevor alle für eine Zulassung nötigen Daten vorliegen. Bei allen bisher zugelassenen Corona-Impfstoffen war die EMA ebenso vorgegangen.
Nach einer Anfang Februar in der britischen Fachzeitschrift "The Lancet" veröffentlichten Studie schützt das Vakzin zu mehr als 90 Prozent vor einer symptomatischen Covid-19-Erkrankung. Damit hätte Sputnik V eine ähnlich hohe Wirksamkeit wie die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna.
Das EU-Mitglied Ungarn erteilte Sputnik V im Februar eine nationale Zulassung und setzt das Mittel bereits ein. Auch die Slowakei und Tschechien bestellten Sputnik-V-Dosen und kündigten an, für deren Einsatz nicht auf die EMA-Zulassung warten zu wollen.
Ende Februar nahm Österreich Verhandlungen mit Moskau über die Lieferung von einer Million Impfstoffdosen auf. Kanzler Sebastian Kurz sprach zudem mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über eine "gemeinsame Produktion".
by Andreas SOLARO