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Spahn warnt vor Überlastung von Krankenhäusern und nimmt Länder in die Pflicht

Sorge vor dritter Corona-Welle wächst - Mehr Flexibilität beim Impfen gefordert

Angesichts steigender Corona-Zahlen hat die Bundesregierung eindringlich vor einer baldigen Überlastung des deutschen Gesundheitssystems gewarnt und zu einem möglichst weitgehenden Kontakt- und Reiseverzicht über Ostern aufgerufen. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte am Freitag in Berlin, die Zahlen stiegen "zu schnell und die Virusvarianten machen die Lage besonders gefährlich". Zugleich forderte er die Länder eindringlich auf, die Notbremse "konsequent" umzusetzen.

"Wenn das ungebremst weitergeht, laufen wir Gefahr, dass unser Gesundheitssystem im Laufe des Aprils an seine Belastungsgrenze kommt", sagte Spahn bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Präsidenten des bundeseigenen Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler. Auch Wieler zeichnete ein düsteres Bild. Es gebe "deutliche Signale", dass die nun begonnene dritte Corona-Welle "noch schlimmer werden kann als die ersten beiden Wellen".

Auch 100.000 Neuinfektionen pro Tag seien "denkbar", sagte Wieler. Die dritte Welle sei nun nicht mehr zu verhindern. Viele Menschen könnten sterben und Kliniken überlastet werden. "Wenn wir nicht sofort massiv gegensteuern, werden die Folgen gravierend sein."

Spahn und Wieler riefen die Bevölkerung eindringlich auf, ihr Verhalten an die Lage anzupassen. Die Menschen müssten Kontakte reduzieren, auf Reisen verzichten und Schutzmaßnahmen treffen. "Reisen und Kontakte sind die Treiber dieser Pandemie", betonte Wieler. Spahn sagte, Treffen über Ostern sollte es höchstens in kleinster Runde und dann auch "idealerweise nur draußen" geben.

Am Freitag meldete das RKI über 21.500 Neuinfektionen binnen eines Tages gemeldet, die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 119,1. Der Wert, der die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen angibt, steigt derzeit stetig an. Im Februar war er zeitweise auf unter 60 gefallen.

Spahn appellierte an die Bundesländer, die gemeinsam mit dem Bund vereinbarte Notbremse zu aktivieren. Die Regelung sieht vor, Öffnungen bei Inzidenzwerten über 100 wieder rückgängig zu machen. Zugleich forderte er von den Ländern mehr Flexibilität beim Impfen. Vorhandener Impfstoff müsse auch "schnellmöglich" verimpft werden. "Impftermine sind zu wertvoll um sie verfallen zu lassen."

Zuletzt gab es immer wieder Berichte über ungenutzte Reserven an Impfstoffen, auch weil Berechtigte in beträchtlicher Zahl nicht zu Impfterminen erschienen. Vor diesem Hintergrund rief Spahn die Länder auf, Impfkampagnen pauschal für Berechtigte der Priorität 2 zu öffnen. Dazu gehören etwa alle Bürger über 70 Jahren, Menschen mit Vorerkrankungen, Kontaktpersonen von Pflegebedürftigen, aber auch Polizisten und Grundschullehrer.

Die Gruppe sei "sehr, sehr groß", betonte Spahn. Es werde daher auch genügend Impfwillige geben. Die Ländern könnten kreative Lösungen wie "Stand-by-Listen" oder kurzfristig zu vergebende Wochenendtermine nutzen, um übriggebliebenen Impfstoff an diese zu verabreichen. Die Impfverordnung des Bundes gebe das "locker her". So könne sich jeder Mensch über 70 im Impfzentrum ohne großen Aufwand mit dem Personalausweis vor Ort legitimieren.

Insgesamt stieg die Impfquote laut RKI inzwischen auf mehr als zehn Prozent. Demnach erhielten knapp 8,36 Millionen Bürger bereits mindestens eine Dosis. Rund 3,68 Millionen Menschen oder etwa 4,4 Prozent der Bevölkerung waren mit Stand vom Donnerstag zweimal geimpft und damit vollständig immunisiert.

Spahn sagte dazu, die positiven Effekte der Impfkampagne würden durch die steigenden Infektionszahlen "aktuell geschmälert". Im zweiten Quartal aber werde die Dynamik der Kampagne deutlich zunehmen. Allein im April erwarte Deutschland 15 Millionen Dosen. Das seien mehr als im ganzen ersten Quartal verimpft worden seien. Ab April beginne auch das Impfen bei Hausärzten.

by Christof STACHE