Gustav Thöni (70) war in den 1970er-Jahren der beste Skifahrer der Welt, gewann vier Mal den Gesamt-Weltcup, fünf Weltmeistertitel sowie Gold und Silber bei Olympia. Später war der Südtiroler persönlicher Trainer von Alberto Tomba (54). Am 28. Februar feiert Gustav Thöni seinen 70. Geburtstag, im Kreise seiner Familie, im Hotel Bella Vista, in Trafoi. Dabei fühlt er sich erst wie 35, wie er im Interview verrät.
Gustav Thöni: Dankeschön! Wie die Zeit vergeht. 70 Jahre. Das klingt ganz schön alt. Dabei fühle ich mich wie mit 35.
Thöni: Nein. Aber mit 70 zähle ich so langsam auch zur Risikogruppe. Sobald ich einen Impf-Termin bekomme, lasse ich mich sofort impfen. Impfen ist Bürgerpflicht! Nur so kommen wir aus der Corona-Krise heraus.
Thöni: Wir sind eine alteingesessene Hoteliers-Familie. Wirtschaftlich gesehen ist Corona eine Katastrophe. Meine älteste Tochter Petra führt unser Bella Vista in Trafoi. Das Hotel hat seit Monaten geschlossen und alles steht still. Aber unser Hotel hat zwei Weltkriege überlebt, wir werden auch Corona überstehen. Die Menschen haben das Bedürfnis, wieder zu reisen und werden wiederkommen. Viele Stammgäste haben ihren Urlaub auf den nächsten Winter oder auf den Sommer verschoben. Im Sommer 2020 haben wir bewiesen, dass Hotelbetrieb und Corona funktioniert. Wir müssen alle lernen, mit Corona zu leben.
Thöni: Unsere Politiker müssen derzeit eine sehr schwierige Situation bewältigen. Es fehlt jede Erfahrung auf diesem Gebiet. Ich kann aber nicht alle Regeln nachvollziehen. Müssen in einem 50-Seelen-Bergdorf wie Trafoi die gleichen Regeln gelten wie in einer Vier-Millionen-Stadt wie Rom?
Thöni: Da bin ich entsetzt. Aber ich habe Vertrauen in den Staatspräsidenten Sergio Mattarella. Auch Mario Draghi hat bewiesen, dass er ein Krisen-Manager ist. Er hat vermutlich die richtigen Rezepte, die es jetzt braucht. Man muss ihn nur lassen. Italien braucht jetzt kompetente Leute, die handeln statt reden.
Thöni: Letzte Weihnachten stand ich, das erste Mal in meinem Leben, nicht auf Skiern. Wir haben aktuell einen Traum-Schnee, aber die Lifte haben geschlossen. Normalerweise würde ich mit unseren Hotelgästen jetzt gerade Skifahren - es ist zum Weinen. Aber man muss sich arrangieren. Ich habe mir Tourenski besorgt und ich gehe mit den Fellen hoch, um dann mit Freude abzufahren. Das erinnert mich an meine Kindheit, da hatten wir auch keinen Lift.
Thöni: Mein erstes Vorbild war mein Vater Georg. Er war ein stilistisch perfekter Skifahrer, er gewann als junger Kerl auch mehrere nationale Titel. Später eiferte ich Toni Sailer nach. Er hatte 1956 - da war ich fünf Jahre alt - bei den Olympischen Spielen in Cortina d'Ampezzo drei Goldmedaillen gewonnen. Als Kind hatte ich ein Buch von ihm unter meinem Kopfkissen: Ich habe alle Bildsequenzen genauestens studiert. Übrigens stammen Toni Sailers Vorfahren auch aus Trafoi.
Thöni: Da gibt es sehr viele... das Olympia-Gold von Sapporo 1972 ist was ganz Besonderes. Natürlich auch die Weltmeisterschaften von St. Moritz 1974, wo ich zwei Goldmedaillen holen konnte. Beim Slalom war ich nach dem ersten Durchgang nur Achter - dann ist mir ein Traumlauf gelungen. Spannend war auch 1975 das Finale um den Gesamt-Weltcup in Gröden: Franz Klammer, Ingemar Stenmark und ich waren am Ende der Saison punktegleich. Wir mussten einen alles entscheidenden Parallel-Slalom fahren, vor 40.000 Zuschauern konnte ich schließlich meinen vierten Weltpokal gewinnen. Schöne Erinnerungen habe ich auch an meine Zeit als Trainer von Alberto Tomba - das war eine sehr spannende Zeit.
Thöni: Das Skifahren ist mein Leben! Als Kinder hatten wir sonst nichts, durch das Skifahren und meine Erfolge durfte ich ein außergewöhnliches Leben führen. Das Skifahren hat mir, dem kleinen schüchternen Jungen aus dem Bergdorf Trafoi, die ganze Welt geöffnet.
Thöni: Große Feiern waren nie meines. So gesehen kommt mir Corona gelegen (lacht). Ich werden bei uns im Bella Vista in Trafoi im Kreis meiner Familie feiern. Meine Frau Ingrid und ich, wir waren Einzelkinder und haben drei Töchter und nun elf Enkelkinder zwischen 18 und drei Jahren, da ist immer was los. Übrigens neun meiner elf Enkelkinder fahren schon Ski...