Im vergangenen Jahr haben sieben Prozent oder rund 4100 weniger Menschen eine Ausbildung in der Pflege begonnen. Wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden mitteilte, wurden 52.140 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen. 2021 waren es noch 56.259 Verträge. Die Stiftung Patientenschutz kritisierte: "Der Bundesregierung gelingt es offenkundig nicht, den Pflegeberuf attraktiv zu machen." Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) erklärte: "Diese Zahlen sind ein Drama."
Über alle Ausbildungsjahre hinweg befanden sich den Statistikern zufolge zum Jahresende 2022 insgesamt rund 143.100 Menschen in der Ausbildung zur Pflegefachfrau beziehungsweise zum Pflegefachmann. Im vergangenen Jahr begannen 38.600 Frauen und 13.500 Männer ihre Pflegeausbildung. Der Anteil der Frauen blieb demnach zwar hoch, ging aber im Vergleich zum Vorjahr um zwei Prozentpunkte auf 74 Prozent zurück.
Das Durchschnittsalter bei Ausbildungsbeginn lag bei 21 Jahren - ein Jahr höher als 2020. Eine Ausbildung in der Pflege wird laut Statistikamt häufig auch im mittleren Alter begonnen. So starteten elf Prozent oder 6000 der Auszubildenden 2022 ihre Lehre im Alter von 30 bis 39 Jahren. Weitere sieben Prozent oder 3900 waren bei Beginn 40 Jahre oder älter. Nur drei Prozent waren hingegen in der Altersgruppe ab 30 Jahren.
Den Angaben zufolge begannen fast alle die dreijährige Ausbildung in Vollzeit. Demgegenüber starteten nur 500 ihre Lehre in Teilzeit. Damit blieb in der Pflege die Ausbildung in Vollzeit die vorherrschende Form. In der Ausbildung zur Pflegefachfrau beziehungsweise zum Pflegefachmann wurden 2017 die bis dahin getrennten Ausbildungen in der Gesundheits-, Kranken- und Altenpflege zusammengeführt.
Der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, erklärte, die Vereinheitlichung der Ausbildung zur Pflegefachkraft "scheint nicht mehr als eine Eintagsfliege zu sein". Auch böten Krankenhäuser Ausgelernten deutlich bessere Verdienstchancen als Arbeitgeber in der Altenpflege.
Zudem bleibe es eine große Herausforderung, den Nachwuchs langfristig im Job zu halten, so Brysch. "Lohnsteigerungen allein reichen nicht aus." Vielmehr gelte es, "Berufsanfängern neben verlässlichen Arbeitszeiten sowie der Vereinbarkeit von Freizeit, Familie und Beruf mehr Verantwortung zu übertragen".
Der Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste, Bernd Meurer, erklärte, die Versorgung der Pflegebedürftigen sei immer weniger gesichert. "Schon jetzt fehlen zehntausende Pflegekräfte in Deutschland und viele gehen bald in Rente. Wenn nun die Zahlen bei den Auszubildenden in der Pflege einbrechen, klafft bald eine noch viel größere Personallücke." Der Rückgang sei "hausgemacht und von der Politik zu verantworten", kritisierte Meurer.
Vor der Zusammenlegung der Ausbildungen in der Kranken- und Altenpflege habe es einen massiven Aufwuchs der Ausbildungszahlen gegeben. "Die dreijährige Altenpflegeausbildung zu zerstören, um sie jetzt durch eine einjährige Pflegehelferausbildung zu ersetzen, ist der blanke Wahnsinn", kritisierte Meurer. Dies "verstärkt ganz offensichtlich den Personalmangel in der Langzeitpflege". Der Verband fordert gemeinsame Anstrengung von Bund und Ländern zur Sicherung und Ausweitung der Ausbildungskapazitäten.
Der Pflegeexperte der Linken-Bundestagsfraktion, Ates Gürpinar, erklärte: "Junge Menschen lassen sich nicht mit leeren Versprechungen hinhalten." Der Pflegeberuf brauche eine wirklich gute Perspektive. Gürpinar warf der Bundesregierung vor, sie unternehme nichts gegen die schlechten Arbeitsbedingungen und die unzureichende Bezahlung in der Pflege.
In der Konzertierten Aktion Pflege habe sich die Bundesregierung auf die Fahnen geschrieben, die Ausbildungszahlen um mindestens zehn Prozent steigern zu wollen. "Allerdings gab es lediglich Imagekampagnen statt spürbarer Verbesserungen für die Beschäftigten", kritisierte Gürpinar.
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