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Selenskyj: Russland hat "absichtlich" Getreide-Infrastruktur angegriffen

Nach seinem Ausstieg aus dem Getreideabkommen hat Russland nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gezielt Standorte für ukrainische Getreideexporte angegriffen. Moskau habe in der Nacht zum Mittwoch in der Region Odessa "absichtlich die Infrastruktur des Getreideabkommens ins Visier genommen", erklärte Selenskyj. Kiew verhandelt derweil eigenen Angaben zufolge mit anderen Schwarzmeer-Ländern über eine Militärpatrouille unter UN-Mandat, um die Exporte fortsetzen zu können.

Russland hatte die Region Odessa nach ukrainischen Angaben in den frühen Morgenstunden mit Raketen und Drohnen angegriffen. Nach Behördenangaben wurden Getreideterminals und Infrastruktur in den Häfen von Odessa und Tschornomorsk angegriffen. Dabei seien 60.000 Tonnen Getreide zerstört worden, erklärte der ukrainische Landwirtschaftsminister Mykola Solsky. Es werde "mindestens ein Jahr dauern, bis die beschädigte Infrastruktur vollständig repariert ist".

Ukrainischen Angaben zufolge war es der zweite nächtliche Angriff in Folge auf die Region seit dem Auslaufen des Getreideabkommens am Montag. Die Staatsanwaltschaft erklärte, es habe sich um den bislang größten Angriff an der Schwarzmeerküste von Odessa gehandelt. Mindestens zehn Menschen, darunter ein neunjähriger Junge, seien verletzt worden.

Das russische Verteidigungsministerium erklärte hingegen, die Angriffe hätten Militäreinrichtungen nahe des Schwarzmeer-Hafens gegolten. Russland habe "militärisch-industrielle Anlagen, Infrastruktur für Treibstoff und Munitionsdepots der ukrainischen Streitkräfte" bei Odessa angegriffen.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verurteilte die Angriffe scharf. Russlands Präsident Wladimir Putin habe nicht nur das Abkommen zum Export von ukrainischem Getreide aufgekündigt, sondern überziehe nun auch Odessa "mit Bombenhagel", schrieb Baerbock auf Twitter. Damit raube er der Welt jede Hoffnung auf ukrainisches Getreide. "Jede seiner Bomben trifft auch die Ärmsten der Welt."

Das Getreideabkommen hatte es der Ukraine seit Juli 2022 ermöglicht, trotz des russischen Angriffskriegs über das Schwarze Meer Getreide zu exportieren. Dadurch sollten die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die globale Nahrungsmittelversorgung abgemildert werden. Am Montag hatte Russland das Abkommen jedoch für beendet erklärt. Der Kreml begründete dies unter anderem damit, dass Kiew den Getreideexport-Korridor für "militärische Zwecke" missbraucht habe.

Kiew bemüht sich seitdem eigenen Angaben zufolge um eine gemeinsame Militärpatrouille von Schwarzmeer-Ländern wie Bulgarien und der Türkei unter UN-Mandat, um die Getreideexporte fortsetzen zu können. Die Verhandlungen hierzu liefen bereits "auf allen Ebenen", sagte Selenskyjs Berater Michailo Podoljak der Nachrichtenagentur AFP in einem Interview.

Zeitgleich kündigte Russland am Mittwoch an, alle Schiffe im Schwarzen Meer mit dem Ziel Ukraine ab Donnerstag als Schiffe einzustufen, "die potenziell militärische Ladung transportieren". Zudem würden Länder, unter deren Flagge Frachtschiffe auf dem Weg in ukrainische Häfen fahren, künftig als Konfliktparteien auf Seiten Kiews gewertet, erklärte das russische Verteidigungsministerium.

Zuvor hatten die von Moskau eingesetzten Behörden auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim den Ausbruch eines Feuers auf einem Militärgelände vermeldet. Sie ordneten daraufhin die Evakuierung von mehr 2000 Menschen an. Die russischen Behörden machten zunächst keine Angaben zur Ursache des Brands und bestätigten auch keine Explosionen. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte aber später, der Kreml sei informiert, die Situation werde "geklärt". 

Wie die russische Nachrichtenagentur Tass berichtete, wurde wegen des Feuers die Autobahn zwischen dem Hafen von Kertsch im Osten der Krim und der Stadt Sewastopol im Südwesten der Halbinsel gesperrt. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine im Februar 2022 ist die Krim-Halbinsel regelmäßig das Ziel von Angriffen.

Für die im Juni gestartete Gegenoffensive zur Rückeroberung russisch besetzter Gebiete braucht die Ukraine nach Angaben Podoljaks "insbesondere 200 bis 300 gepanzerte Fahrzeuge" sowie "60 bis 80 F-16-Kampfjets". Die Offensive werde zweifellos "ziemlich schwierig und langwierig sein".

kas/mid