Bei einem Gipfeltreffen von fast 50 europäischen Ländern in Spanien hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj einen Winter-Schutzschirm für sein Land gefordert. Ein solcher "Verteidigungsschirm" sei wichtig für die Ukraine, betonte Selenskyj am Donnerstag beim Treffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft in der andalusischen Stadt Granada. Für den Winter erwarte er neue "Angriffe mit verschiedenen Typen russischer Raketen und iranischen Drohnen".
Zugleich äußerte sich Selenskyj besorgt über eine nachlassende Unterstützung der Europäer und der USA. "Die größte Herausforderung ist es, die Einheit in Europa zu erhalten", sagte er. Aus Polen hatte es vor der Parlamentswahl Mitte Oktober Ukraine-kritische Äußerungen gegeben, in der Slowakei gewann der pro-russische Politiker Robert Fico die Wahl.
In den USA stehe darüber hinaus "eine schwierige Wahlperiode" bevor, sagte der ukrainische Präsident mit Blick auf die Präsidentenwahl im kommenden Jahr. US-Präsident Joe Biden habe ihm zwar vor rund zwei Wochen bei einem Besuch in Washington "eine hundertprozentige Unterstützung" zugesichert. Es gebe dort aber auch "merkwürdige Stimmen", sagte Selenskyj. Vor allem in den Reihen der konservativen Republikaner gibt es Widerstand gegen die Milliardenhilfen für die Ukraine.
Selenskyj plant am Rande des Gipfels eine Reihe bilateraler Treffen, unter anderem mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, wie es aus dem Elysée-Palast hieß. Auch mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dürfte es einen Termin geben. Scholz steht in Deutschland aus Koalitionsreihen in der Kritik, weil er bisher die von der Ukraine gewünschten Taurus-Marschflugkörper nicht freigegeben hat.
Der Gipfel-Gastgeber, Spaniens amtierender Regierungschef Pedro Sánchez, äußerte die Hoffnung auf einen "Erfolg" des Doppelgipfels in Granada. Auf das Treffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) mit bis zu 47 Ländern folgt am Freitag ein informeller Gipfel der 27 EU-Staaten.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell beklagte die kurzfristigen Absagen des aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew und des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan. Ohne Alijew und seinen engsten Verbündeten Erdogan könne es in Granada keine Fortschritte im Konflikt um die Kaukasusregion Bergkarabach geben, kritisierte er. Zugleich übte Borrell scharfe Kritik an der Vertreibung von mehr als 100.000 ethnischen Armeniern durch den "militärischen Gewaltakt" Aserbaidschans.
Scholz und Macron wollten nach EU-Angaben in Granada eigentlich zwischen Alijew und dem armenischen Regierungschef Nikol Paschinjan vermitteln. Der Präsident Aserbaidschans lehnte dies jedoch wegen Armenien-freundlicher Äußerungen aus der EU ab.
Es ist der dritte Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft, einer informellen Gesprächsplattform zu Themen wie Geopolitik, Digitalisierung und Klimawandel. Eingeladen sind die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten und 20 weiterer Länder von Albanien über Großbritannien bis zur Ukraine.
lob/ju