Städten und Gemeinden geht in der Corona-Krise das Geld aus – viele wollen daher die Steuern und Gebühren erhöhen. 64 Prozent der deutschen Kommunen planen dies, wie aus einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage der Beratungsgesellschaft EY unter 300 Kommunen mit mindestens 20.000 Einwohnern hervorgeht. Jede dritte plant demnach höhere Gebühren für die Wasserversorgung, Straßenreinigung und Müllentsorgung.
Auch die Parkgebühren sollen den Angaben zufolge in 29 Prozent der befragten Kommunen steigen. 21 Prozent planen demnach eine höhere Grundsteuer für ihre Bürger. 23 Prozent der Städte und Gemeinden wollen ihr kommunales Angebot einschränken.
Große Einsparungen erwarten die Berater dadurch nicht: "Viele klamme Kommunen haben ihre freiwilligen Leistungen so stark reduziert, dass an dieser Stelle kaum noch Einsparpotenziale bestehen", erklärte Bernhard Lorentz von EY. Denn: "Ein Schwimmbad oder eine Bibliothek lässt sich nur einmal schließen."
Zwar sind Abgabenerhöhungen nicht neu - so planten 2019 sogar 68 Prozent der befragten Kommunen höhere Gebühren, wie EY mitteilte. In diesem Jahr scheint ein solcher Schritt aber fast unumgänglich: Trotz erheblicher Finanzhilfen von Bund und Ländern stieg die Verschuldung der Umfrage zufolge sprunghaft an. 47 Prozent der Kommunen erwarteten für das Gesamtjahr 2020 ein Haushaltsdefizit. 2019 hatte der Anteil der Kommunen mit Defizit laut EY noch 13 Prozent betragen.
"Die Pandemie hat die Kommunen bei ihren Bemühungen um eine finanzielle Gesundung um Jahre zurückgeworfen", erklärte Lorentz. Jede zweite Kommune rechne mit einem weiteren Schuldenanstieg in den kommenden drei Jahren. "Gerade einmal 18 Prozent gehen davon aus, Schulden abbauen zu können."
Zwar sanken die kommunalen Gesamteinnahmen den Angaben zufolge im vergangenen Jahr nur um durchschnittlich 4,3 Prozent. Die Berater führten das auf die umfassenden Finanzspritzen zurück, "die im Durchschnitt zehn Prozent der Gesamteinnahmen der Kommunen ausmachten". Doch die Gewerbesteuereinnahmen brachen im Schnitt um 15 Prozent ein – ohne Aussicht auf baldige Normalisierung.
Für 2021 rechnet laut EY nur jede dritte Kommune mit Gewerbesteuereinnahmen auf dem Niveau von 2019. 22 Prozent der Kämmerer erwarten dagegen einen weiterhin um mindestens zehn Prozent geringeren Betrag als im Vorkrisenjahr.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte einen "Altschuldentilgungsfonds" von Bund und Ländern für die finanziell am stärksten gebeutelten Kommunen. DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell bezifferte die Investitionsrückstände auf kommunaler Ebene auf gut 147 Milliarden Euro. "Es braucht aber eine zukunftsfähige Infrastruktur vor Ort, wenn Arbeitsplätze erhalten und Gemeinden attraktiv und lebenswert bleiben sollen", betonte er.
Auch Lorentz geht davon aus, dass Städte und Gemeinden mindestens im laufenden Jahr noch finanzielle Hilfe brauchen werden, um die Einnahmen zu stabilisieren. Gleichzeitig warnte er: "Bund und Länder werden nicht dauerhaft in der Lage sein, kommunale Finanzlöcher zu stopfen." Die kommunalen Entscheider stünden "vor schwierigen Jahren und weiteren unpopulären Sparmaßnahmen".
by Ina FASSBENDER