Für die 2,3 Millionen Angestellten von Bund und Kommunen ist am Dienstag in Potsdam die Einkommensrunde gestartet. Verdi und der Deutsche Beamtenbund fordern 4,8 Prozent, monatlich jedoch mindestens 150 Euro mehr Lohn. Zudem dringen die Gewerkschaften auf eine Senkung der Wochenarbeitszeit im Osten um eine Stunde auf Westniveau. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) weist die Forderung angesichts der wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise als nicht bezahlbar zurück.
Angestrebt wird ein Tarifabschluss in dritter Runde Ende Oktober. Ein Arbeitgeberangebot lag zum Verhandlungsstart zunächst nicht vor. Der Tarifvertrag von 2018 war von den Gewerkschaften zu Ende August regulär gekündigt worden. Von den insgesamt 2,3 Millionen Tarifbeschäftigten der Einkommensrunde arbeiten rund 126.000 beim Bund.
Ziel der Gewerkschaften ist unter anderem, die wachsende Lohnspreizung zu dämpfen. Wegen der im Vergleich zur Privatwirtschaft schlechteren Bezahlung können im öffentlichen Dienst nach Verdi-Angaben derzeit rund 300.000 offene Stellen nicht besetzt werden. Wegen des demografischen Wandels wächst die Zahl der frei werdenden Stellen in den kommenden Jahren deutlich.
Der VKA-Präsident und Lüneburger Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD) sagte vor Verhandlungsauftakt zu den Gewerkschaftsforderungen: "Jeder weiß, das können wir nicht bezahlen." Er erwarte deshalb eine harte Tarifrunde.
Die Kommunen sähen in diesem und im kommenden Jahr krisenbedingten Defiziten von 15 bis 20 Milliarden Euro entgegen, die nur teilweise von den Ländern ausgeglichen würden, sagte Mädge. Möglich sei ein schlanker Tarifvertrag mit Bestandsschutz für Angestellte im öffentlichen Dienst.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zeigte sich als Verhandlungsführer des Bundes zuversichtlich hinsichtlich einer Einigung. Noch keine Tarifrunde sei so beendet worden, wie sie begonnen habe. Der Bund habe Interesse an einem Tarifergebnis auf dem Verhandlungsweg, das erwarte die Bevölkerung.
Zugleich sprach Seehofer von Tarifverhandlungen unter schwierigen Bedingungen. Es gehe darum, für die Beschäftigten ein faires Ergebnis zu erzielen und zugleich Rücksicht auf die Finanzlage von Bund und Kommunen zu nehmen.
Verdi-Bundeschef Frank Werneke betonte, es könne wegen der Coronakrise keine Lohnpause in Deutschland geben. Ohne steigende Löhne könne es auch keine starke Binnennachfrage für ein wirtschaftliche Erholung geben. Auf dem Höhepunkt der Pandemie sei im öffentlichen Dienst viel geleistet worden.
Besondere Anstrengungen seien vor allem in den Krankenhäusern und bei der Pflege notwendig gewesen. An der Lohnrunde hingen auch die Jobcenter und die Bundesagentur für Arbeit - "und was da los ist, wissen wir alle", sagte Werneke.
Der Chef des Beamtenbunds, Ulrich Silberbach, warnte die Arbeitgeber, wie üblich erst nach Wochen ein erstes Angebot vorzulegen. Notwendig sei ein Angebot bereits in einem sehr frühen Stadium, "damit diese Tarifrunde konstruktiv geführt wird". Natürlich sei die gesamte Wirtschaft derzeit in einer besonderen Lage. Die Gewerbesteuerausfälle der Kommunen würden aber mit dem Konjunkturpaket der Bundesregierung ausgeglichen.
Silberbach fügte hinzu, die Gewerkschaften strebten in dieser Tarifrunde keine Arbeitskämpfe an. Allerdings würden Arbeitnehmervertreter nicht zulassen, dass die Kommunen ihre aktuellen Probleme durch den Griff in den Geldbeutel ihrer Beschäftigten lösten. Die Gewerkschaften seien selbstverständlich zu Arbeitskämpfen mit anderthalb Metern Abstand in der Lage.
Für die Einkommensrunde bei Bund und Kommunen gibt es eine Schlichtungsvereinbarung, den Schlichter dürfen in dieser Runde die Gewerkschaften benennen. Die zweite Tarifrunde ist für den 19.und 20. September, die dritte Einkommensrunde für den 22. und 23. Oktober in Potsdam geplant.
by Von Johannes FREWEL