Bei teils gewaltsamen Protesten gegen Polizeigewalt und ein geplantes Sicherheitsgesetz ist es in ganz Frankreich zu schweren Ausschreitungen gekommen. 95 Menschen wurden festgenommen und 67 Sicherheitskräfte verletzt, wie Gérald Darmanin am Sonntag im Kurzbotschaftendienst Twitter mitteilte. Demonstranten hatten am Vortag unter anderem in Paris Autos in Brand gesetzt und die Polizei mit Wurfgeschossen attackiert. Die Polizei setzte ihrerseits Tränengas ein.
Mehr als 52.000 Menschen versammelten sich nach Angaben des Innenministeriums am Samstag auf knapp 90 Demonstrationen in ganz Frankreich, darunter etwa 5000 in Paris. Unter ihnen waren auch viele Anhänger der Gelbwesten-Bewegung. Demonstrationen gab es unter anderem auch in Lyon im Osten Frankreichs, im südfranzösischen Montpellier, im westlichen Nantes und im ostfranzösischen Straßburg.
Immer wieder erklangen in Paris Sprechchöre wie "Die ganze Welt hasst die Polizei". Die zunächst friedliche Demonstration schlug nach Angaben von AFP-Reportern schnell in Gewalt um: Entlang der Strecke wurden Autos und Barrikaden angezündet sowie Schaufenster von Banken und Supermärkten eingeschlagen. Nach Angaben aus Polizeikreisen beteiligten sich bis zu 500 gewaltbereite Demonstranten an den Protesten. "Diese Randalierer machen die Republik kaputt", erklärte Darmanin.
Traditionell organisiert die Gewerkschaft CGT am ersten Samstag im Dezember in ganz Frankreich Demonstrationen gegen soziale Ungerechtigkeit. Zu den Protesten kamen in diesem Jahr jedoch viele Teilnehmer auch aus Wut über das geplante Sicherheitsgesetz, sowie über neue Fälle von Polizeigewalt: Die gewaltsame Räumung eines Zeltlagers von Flüchtlingen in Paris und der brutale Polizeieinsatz gegen einen schwarzen Musikproduzenten in der Hauptstadt waren nur durch Videoaufnahmen bekannt geworden und hatten landesweit für Entsetzen gesorgt.
In Paris, wo die Gewalt und die verursachten Schäden bei den Protesten am Samstag am größten waren, wurden 48 Gendarmen und Polizisten verletzt, erklärte Darmanin. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurden in der Hauptstadt 25 Menschen festgenommen, darunter zwei Minderjährige.
Die Regierung von Präsident Emmanuel Macron will mit dem geplanten Gesetz für "umfassende Sicherheit" die Verbreitung von Foto- oder Filmaufnahmen von Polizeieinsätzen unter Strafe stellen, wenn dadurch die "körperliche oder psychische Unversehrtheit" einzelner Beamter gefährdet wird. Mit dem Gesetz will die Regierung die Einsatzkräfte nach eigenen Angaben besser schützen.
Kritiker sehen dagegen die Pressefreiheit bedroht und fürchten einen "Persilschein" für gewalttätige Polizisten. Sie argumentieren, dass in der Vergangenheit viele Fälle von Polizeigewalt ungestraft geblieben wären, wenn sie nicht gefilmt und die Aufnahmen im Internet verbreitet worden wären.
Angesichts der Proteste gegen das Gesetz hat die Regierungsmehrheit im Parlament inzwischen angekündigt, das umstrittene Filmverbot im Sicherheitsgesetz neu fassen zu wollen. Allerdings ist noch nicht bekannt, wie der Artikel genau verändert werden soll.
Macron wies am Freitagabend in einem Interview mit dem vor allem von jungen Menschen genutzten Online-Medium "Brut" den Vorwurf zurück, dass die Freiheitsrechte in Frankreich beschnitten würden. "Das ist eine große Lüge. Wir sind nicht Ungarn oder die Türkei", sagte er. Macron verurteilte sowohl das gewaltsame Vorgehen einzelner Polizisten als auch Gewalt gegen Sicherheitskräfte.
by Anne-Christine POUJOULAT