Die Schweizer haben mit großer Mehrheit eine Begrenzung der Personenfreizügigkeit zwischen ihrem Land und der EU abgelehnt. Nach offiziellen Angaben stimmten in einer Volksabstimmung am Sonntag 61,7 Prozent der Wähler gegen eine entsprechende Initiative der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP). EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte das klare Ergebnis als "positives Signal". Eine Mehrheit für die Initiative hätte schwerwiegende Folgen für die Beziehungen mit der EU gehabt.
In ihrer Volksinitiative "Für eine maßvolle Zuwanderung (Begrenzungsinitiative)" forderte die SVP den Ausstieg aus einen 1999 geschlossenes Abkommen mit Brüssel, wonach EU-Bürger auch in der Schweiz frei leben und arbeiten dürfen. Bei einem Ja der Schweizer zu der Vorlage hätte die Regierung in Bern eine einjährige Frist für Verhandlungen mit Brüssel gehabt - ohne eine Einigung innerhalb dieser Frist hätte sie das Abkommen binnen 30 Tagen kündigen müssen.
Besonders die Grenzregionen der Schweiz sind stark auf Arbeitskräfte aus den Nachbarländern angewiesen. Ein Ende des Abkommens hätte zudem die Freizügigkeit der Schweizer innerhalb der EU beendet und den direkten Zugang der Schweizer Wirtschaft zum europäischen Binnenmarkt gefährdet. Eine sogenannte Guillotine-Klausel wäre in Kraft getreten, mit der ein ganzes Bündel an Abkommen zwischen Brüssel und Bern außer Kraft gesetzt worden wären.
Deshalb hatte sich in der Schweiz eine breite Ablehnungsfront gegen die SVP-Initiative gebildet, zu der neben Regierung, Parlament und allen anderen Parteien auch Gewerkschaften und der Arbeitgeberverband zählten. Mit rund 59 Prozent war die Beteiligung an der Volksabstimmung vergleichsweise hoch.
Die Schweizer hätten gezeigt, dass sie die engen Beziehungen mit der EU schätzen, erklärte von der Leyen. "Wir wollen unsere Beziehungen weiter festigen und vertiefen." Sie hoffe, dass der Schweizerische Bundesrat nun bei der Unterzeichnung und Ratifizierung eines bereits seit 2018 fertig ausgehandelten Abkommens mit der EU "zügig vorankommen kann".
Brüssel pocht seit Jahren auf ein institutionelles Rahmenabkommen zur Vereinfachung der bilateralen Beziehungen mit Bern. Der Widerstand dagegen kommt in der Schweiz allerdings nicht nur von der SVP.
In einer weiteren Abstimmung am Sonntag stimmten nach offiziellen Angaben 60,3 Prozent für die erstmalige Einführung eines bezahlten zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs in der Schweiz. Die Regeln in dem Bereich sind bislang im europäischen Vergleich sehr arbeitgeberfreundlich. Seit 2005 haben berufstätige Mütter nach der Geburt eines Kindes Anrecht auf 14 Wochen bezahlten Urlaub. Angestellten Vätern stehen bisher ein oder zwei Tage zu. Selbständige hatten bislang keinerlei Anrecht.
by Fabrice COFFRINI