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Scharfe Kritik an Freispruch für im Querdenkermilieu gefeierten Mikrobiologen

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat mit scharfer Kritik auf den Freispruch für einen im Querdenkermilieu gefeierten Mikrobiologen vom Vorwurf der Volksverhetzung im Zusammenhang mit Äußerungen zu Juden und Holocaust in einem Strafprozess in Schleswig-Holstein reagiert. Die Argumentionsgrundlage des Gerichts sei "nichts weniger als skandalös", erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster am Mittwoch in Berlin. Das Gericht legitimiere so "reinen Antisemitismus".

Der durch ein vielfach als haltlos und unwissenschaftlich kritisiertes Buch zur Coronapandemie bekannt gewordene Wissenschaftler Sucharit Bhakdi war am Dienstagabend vom Amtsgericht Plön freigesprochen worden. Die schleswig-holsteinische Generalstaatsanwaltschaft hatte ihm vorgeworfen, in einem Interview zum Hass gegen Jüdinnen und Juden aufgestachelt sowie bei einer Wahlkampfveranstaltung in Kiel im Zusammenhang mit der Zulassung von Coronaimpfstoffen von einem "zweiten Holocaust" gesprochen zu haben.

Die Anklagebehörde kündigte am Mittwoch ihrerseits an, juristisch gegen den Freispruch vorzugehen. "Wir beabsichtigen, Rechtsmittel einzulegen", sagte eine Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig. Über Details werde entschieden, sobald die schriftliche Urteilsbegründung vorliege.

Die Bhakdi zur Last gelegten beiden Taten hatten sich 2021 ereignet. Laut Anklage soll er in dem im Internet veröffentlichten Interview "im Zusammenhang mit kritischen Äußerungen über die Impfpolitik Israels mit generalisierenden Aussagen auch gegenüber in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden zum Hass augestachelt und diese als religiöse Gruppe böswillig verächtlich" gemacht haben.

Bei der Wahlkampfveranstaltung in Kiel sprach er laut Anklage mit Blick auf die Zulassung von Coronaimpfstoffen zudem auch von einem "Endziel" - eine Wortwahl, die wie der Begriff "zweiter Holocaust" Assoziationen mit der von den Nationalsozialisten betriebenen Vernichtung der europäischen Juden weckt. Diese nutzten dafür das Tarnwort "Endlösung". Die Staatsanwaltschaft wertet dies als Verharmlosung des Holocausts und damit als Volksverhetzung.

Nach Angaben einer Gerichtssprecherin erfolgte der Freispruch aufgrund des Grundsatzes "Im Zweifel für den Angeklagten", weil sich die Äußerungen Bhakdis unterschiedlich auslegen ließen. Demnach war das Gericht rechtlich gezwungen, die für den Beschuldigten günstigste Auslegung in Betracht zu ziehen. In der Folge habe es den Angeklagten deshalb freisprechen müssen.

Der inzwischen in Schleswig-Holstein lebende Bhakdi hatte früher das Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universität Mainz geleitet, schied aber 2012 aus und befindet sich im Ruhestand. Ab 2020 meldete er sich öffentlich mit Ausführungen zur Coronapandemie zu Wort, die von anderen Experten als an entscheidenden Stellen irreführend oder falsch kritisiert wurden. Er veröffentlichte im selben Jahr auch ein Buch, das sich sehr gut verkaufte.

Auch die Universität Mainz distanzierte sich danach entschieden von Bhakdi, der laut Medien eine wichtige Bezugsfigur der Querdenkerszene ist. Bereits 2020 stellte die Universität klar, dass dieser als "Professor im Ruhestand" keinerlei "mitgliedschaftliche Rechte" in ihren Instituten und Gremien habe. Das Land Rheinland-Pfalz prüft laut Medien auch, ihm abhängig von den juristischen Verfahren die Führung seines Professorentitels zu untersagen.

bro/cfm