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Russland warnt Ukraine nach Aus für Abkommen vor weiteren Getreideexporten

Russland hat die Ukraine nach dem Auslaufen des Abkommens zur Ausfuhr ukrainischen Getreides vor weiteren Exporten über das Schwarze Meer gewarnt. "Ohne angemessene Sicherheitsgarantien entstehen hier bestimmte Risiken", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Dienstag. Den Rückzug aus dem Abkommen begründete Peskow damit, dass Kiew den Getreideexport-Korridor für "militärische Zwecke" missbraucht habe. In der Nacht griff Russland die für Getreideexporte wichtige Hafenstadt Odessa sowie Mykolajiw an.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte seinem türkischen Kollegen Hakan Fidan in einem Telefonat, mit dem Ende des unter Vermittlung der UNO und der Türkei zustande gekommenen Abkommens ziehe Moskau auch seine Sicherheitsgarantien für die Schifffahrt im Nordwesten des Schwarzen Meers zurück. Damit gebe es dort nun wieder "eine temporär gefährliche Zone".

Das Koordinierungszentrum in Istanbul zur Umsetzung des Getreideabkommens erklärte Russland für aufgelöst. Peskow erklärte zugleich, Moskau sei "zweifelsohne" weiterhin dazu bereit, Getreide in besonders bedürftige afrikanische Länder zu exportieren. Dieser Vorschlag werde auch auf einem Russland-Afrika-Gipfel Ende Juli in St. Petersburg diskutiert, sagte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zuvor den Willen seines Landes bekundet, auch weiterhin Getreide über seine Häfen zu exportieren. Die Ukraine, die UNO und die Türkei könnten gemeinsam den Betrieb des Lebensmittelkorridors und die Kontrolle der Schiffe sicherstellen, erklärte Selenskyj am Montag in seiner abendlichen Videobotschaft. 

In der Nacht zu Dienstag griff Russland ukrainischen Angaben zufolge die Hafenstädte Odessa und Mykolajiw mit Drohnen und Raketen an. In Odessa seien "Einrichtungen der Hafeninfrastruktur" und "mehrere Wohnhäuser" von Raketentrümmern und der beim Abschuss entstandenen Druckwelle beschädigt worden, erklärte das Südkommando der ukrainischen Streitkräfte. Ein Mann sei verletzt worden. In Mykolajiw wurde nach Angaben von Regionalgouverneur Vitali Kim ein "Industriebetrieb" getroffen. Niemand sei verletzt worden.

Russland rechtfertigte die Angriffe auf Odessa als "Vergeltungsschlag" für den Angriff auf die Krim-Brücke in der Nacht zu Montag. Das Ziel der Angriffe seien Einrichtungen gewesen, in denen "Terror-Akte gegen Russland unter Verwendung von Marinedrohnen" vorbereitet worden seien, erklärte das russische Verteidigungsministerium. Dabei sei auch der Herstellungsort der Drohnen in einer Werft nahe Odessa getroffen worden.

Das nun ausgelaufene Getreideabkommen war im Juli 2022 in Istanbul unterschrieben und anschließend zwei Mal verlängert worden, zuletzt bis zum 17. Juli. Die Übereinkunft ermöglichte es der Ukraine, trotz des Krieges über das Schwarze Meer Getreide zu exportieren. Im zurückliegenden Jahr wurden so fast 33 Millionen Tonnen Getreide aus ukrainischen Häfen ausgeführt. 

Moskaus Ausstieg sorgte international für besorgte und empörte Reaktionen. Der Berliner Büroleiter des UN-Welternährungsprogramms (WFP), Martin Frick, rechnet nach eigenen Angaben mit einer Verschärfung der Ernährungskrise in den betroffenen Weltregionen. Seine Organisation erwarte, "dass mehr Menschen es sich nicht mehr leisten können, elementare Lebensmittel zu kaufen", sagte Frick im Deutschlandfunk. 

UN-Generalsekretär António Guterres warnte, Millionen der "ärmsten Menschen" würden den Preis für das Auslaufen des Abkommens zahlen. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verurteilte die russische Entscheidung ebenfalls scharf. Auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen verurteilte das "zynische" Vorgehen Russlands. Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte, damit habe Putin einen "großen Fehler" gemacht.

Die Teilnehmer des in Brüssel stattfindenden EU-Lateinamerika-Gipfels konnten sich unterdessen nicht auf eine gemeinsame Erklärung zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine einigen. Grund seien "Vorbehalte Nicaraguas", wie Macron zum Abschluss der Beratungen sagte. Alle 27 EU-Länder und die anderen 32 Staaten der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (Celac) stünden aber hinter der Erklärung, hob Macron hervor.

ma/mid/kas