Hat Putin alle hinters Licht geführt? Schwerer Rückschlag für die Bemühungen der Ukraine, ihr Land von den russischen Eindringlingen zu befreien. Nach der Befreiung großer Teile der nordöstlichen Region Charkiw vor zehn Monaten hat die ukrainische Regierung am Donnerstag die zwangsweise Evakuierung von 37 befreiten Städten und Dörfern angeordnet. Der Grund dafür ist eine neue massive russische Offensive auf Charkiw. Hier alle Hintergründe:
Angesichts des anhaltenden Beschusses und der unsicheren Lage im Bezirk Kupjan hat die Militärverwaltung am Donnerstagnachmittag die “zwingende Evakuierung der Bevölkerung in sichere Gebiete der Ukraine” verkündet. Gemäß dem Befehl müssen die Bewohner innerhalb einer Woche das Gebiet von der Größe des Bundeslandes Berlins vollständig evakuieren. Dies führt zu einer von Russland verursachten humanitären Katastrophe, die mehr als Zehntausende von Menschen zu Binnenflüchtlingen in ihrem eigenen Land macht. Russische Kriegsblogger feiern die Bekanntgabe der ukrainischen Regierung als großen Erfolg. Die Regierung in Kiew sei aufgrund der russischen Fortschritte in der Region “in Panik” geraten und versuche nun, “was zu retten ist”, erklärte der russische Blogger Felix Dscherginski lautstark. “Die Situation in Kupjansk ist für uns günstig”, fügte er hinzu. Der Kreml-Blogger Boris Roschin erläuterte auf seinem Telegram-Kanal die bevorstehende Evakuierung des Bezirks Kupjansk wie folgt: “Während der Offensive näherten sich Einheiten der russischen Streitkräfte Synkiwka, einer der letzten Siedlungen vor Kupjansk in der Region Charkiw. Kupjansk, von dem die russische Armee nur noch sieben Kilometer entfernt ist, sowie die umliegenden Positionen der ukrainischen Streitkräfte liegen nun in der Zerstörungszone der russischen Artillerie.” Gleichzeitig versuchten laut Roschin russische Armeeeinheiten, den Fluss Oskil zu überqueren, der seit Oktober 2022 in Teilen der Region Charkiw die Frontlinie bildet. “Russische Streitkräfte rücken in Richtung Kamjanka und Dworitschna vor”, jubelte der kremltreue Blogger.
Auch unabhängige Beobachter haben in den letzten Tagen russische Fortschritte in der Region festgestellt. An einigen Stellen drang Russlands Besatzungsarmee bis zu drei Kilometer vor und durchbrach die seit knapp zehn Monaten gehaltenen Verteidigungslinien der Ukraine. Experten sehen die russische Offensive im Nordosten der Ukraine als den Versuch Moskaus, die Ukraine daran zu hindern, im Süden des Landes Boden gutzumachen. Unter dem militärischen Druck Russlands muss die Ukraine ihre Reserven weiter aufteilen und kann nicht wie geplant mit Tausenden von Soldaten in Richtung Krim vorrücken. Am Donnerstagabend wurde die ukrainische Großstadt Saporischschja erneut von Raketen getroffen. Präsident Wolodymyr Selenskyj schrieb auf Telegram, dass dabei mindestens eine Person getötet wurde. Am Vortag hatten russische Raketen in der Stadt mindestens drei Menschen getötet. Laut ukrainischen Berichten gehörten zwei der Verstorbenen zu jungen Straßenmusikerinnen, die kurz zuvor noch Musik gemacht hatten.