Nach dem Bombardement der russischen Stadt Belgorod hat Russland Dutzende nächtliche Drohnenangriffe auf die Ukraine ausgeführt. Die Angriffe in der nordostukrainischen Stadt Charkiw hätten "militärischen" Zielen gegolten, erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau am Sonntag. Die ukrainischen Behörden versicherten hingegen, es seien zivile Einrichtungen getroffen und 28 Zivilisten verletzt worden. Auch aus Cherson, Mykolajiw und Saporischschja wurden russische Drohnenangriffe gemeldet.
Russland macht die Ukraine für den Angriff am Samstag auf die russische Stadt Belgorod verantwortlich, die Ukraine schwieg zunächst zu dem Vorwurf. Laut einer neuen Bilanz, die Regionalgouverneur Wjatscheslaw Gladkow am Sonntag veröffentlichte, waren bei dem Bombardement in Belgorod 24 Menschen getötet und 108 weitere verletzt worden.
Das Verteidigungsministerium in Moskau hatte in der Folge gedroht, der Angriff werde nicht "ungestraft" bleiben. Bei dem Beschuss war nach russischen Angaben auch Streumunition zum Einsatz gekommen. Es seien unter anderem ein Sportzentrum und eine Universität getroffen worden. Der russische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Wassili Nebensia, sprach am Samstag bei einer von Russland beantragten Sitzung des UN-Sicherheitsrats von einem "absichtlichen, wahllosen Angriff gegen ein ziviles Ziel".
"Als Antwort auf diesen Terrorakt hat die russische Armee Entscheidungszentren und militärische Einrichtungen (in der Ukraine) beschossen", erklärte das russische Verteidigungsministerium am Sonntag. Die Angriffe ereigneten sich demnach in Charkiw.
Charkiws Bürgermeister Ihor Terechow versicherte im Messengerdienst Telegram, bei den Angriffszielen habe es sich "nicht um militärische Einrichtungen, sondern um Cafés, Wohngebäude und Büros" gehandelt. "Am Vorabend des Neujahrfestes wollen die Russen unsere Stadt einschüchtern, aber wir haben keine Angst", betonte Terechow.
Laut Regionalgouverneur Oleg Sinegubow wurden 28 Zivilisten verletzt, darunter zwei Jugendliche sowie ein Ausländer. Demnach gehörten auch Krankenhäuser und ein Hotel zu den Angriffszielen. Unter den Verletzten war laut Staatsanwaltschaft auch ein Brite, der als Sicherheitsberater einer Gruppe deutscher Journalisten arbeitete.
Von russischer Seite hieß es dazu, es sei ein "früherer Hotelkomplex" beschossen worden. Dieser sei aber mittlerweile von Mitgliedern des ukrainischen Militärgeheimdienstes sowie der Armee genutzt worden, die in den Angriff auf Belgorod verwickelt seien. Auch "ausländische Söldner" seien dort stationiert.
Auch aus anderen ukrainischen Orten wurden russische Angriffe mit Dutzenden Drohnen gemeldet. 21 der 49 Schahed-Drohnen aus iranischer Produktion seien abgeschossen worden, teilte die ukrainische Luftabwehr auf Telegram mit.
Die russischen Angriffe seien gerichtet gewesen gegen "die Frontlinie der Verteidigung ebenso wie gegen zivile, militärische und Infrastruktur-Einrichtungen". Betroffen waren demnach insbesondere die Regionen um Charkiw sowie Cherson, Mykolajiw und Saporischschja im Südosten der Ukraine. Auf Charkiw seien überdies sechs Lenkraketen abgeschossen worden, hieß es weiter.
Vor dem Angriff auf die russische Stadt Belgorod in der Grenzregion war die Ukraine von einer der schwersten russischen Angriffswellen getroffen worden. Dabei wurden am Freitag nach ukrainischen Angaben etwa 40 Menschen getötet. Die Ukraine wirft Russland vor, unter anderem eine Geburtsklinik, Geschäfte und Wohnungen getroffen zu haben.
Einsatzkräfte waren nach Angaben der örtlichen Behörden immer noch dabei, die Trümmer zu durchsuchen, als neue Angriffe auf Cherson, Saporischschja und Tschernihiw verübt wurden. Bei den Angriffen waren allein in der Hauptstadt Kiew am Freitag nach neuen Angaben mindestens 23 Menschen getötet worden.
Angesichts der anhaltenden Angriffe dringt die Ukraine auf mehr Unterstützung durch den Westen. "Nächstes Jahr wird eine Zeit vieler Entscheidungen - globaler Entscheidungen - sein", sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Samstag in seiner abendlichen Ansprache. "Und die Ukraine muss in der Lage sein, sie zu beeinflussen, um in der Lage zu sein, ihre Ziele zu erreichen."
Der Staatschef fügte hinzu: "Wir werden um unseren Einfluss kämpfen, für Gerechtigkeit für die Ukraine, und ich bin dankbar all denjenigen Führern, die helfen, die uns seit dem 24. Februar (2022) beistehen und 2024 an unserer Seite stehen werden."
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